Ratten mit Hintergrund

Gerade sind Ratten mit Kanalisationshintergrund im Gespräch. Da sollten wir ihrer  Schwestern mit Laboratoriumshintergrund nicht ganz vergesssen; die haben das traurigere Los gezugen. Dazu eine  kleine Geschichte, die vor zwei Jahrzehnten in der Tierrechte-anima stand. Hat sich seither etwas geändert?

Makrolon 3 oder Makrolon4?

Manchmal gehen meine Frau und ich abends spazieren, an ein Plätzchen etwas abseits weltlichen Getriebes, und wir schauen den Ratten zu, wie sie die von den Bäumen gefallenen Samen mit den Pfoten zur Schnauze führen, sichernd Männchen machen und ein bißchen auf-räumen unter all dem, was Leute halt lieber unter die Büsche als in den Mülleimer werfen. Schon vor vielen vielen Jahren, als Flüchtlingskind, in einem alten Bauernhaus mit vielen Ratten; wenn sie mit ihren schwar-zen Äuglein vorsichtig und neugierig aus der Wand lugten, wenn die Mutter Ratte mit ihren fünf Kleinen, eins hinter dem anderen sich mit dem Maul am Schwanz des Vorderen haltend durchs Zimmer huschte, fand ich sie sympatisch, meine Mutter schien weniger glücklich, nun ja.
Bekanntlich hält sich die Sympathie für diese Tauben der Erde allgemein sehr in Grenzen. Sie sind hungrig und essen gern das, was wir selbst gern essen oder an-ziehen. Außerdem übertragen sie angeb-lich die Pest (Darum vorsichtshalber auf Seite 3 der Hlg. Rochus, der Beschützer vor dieser Seuche – die anima-Redaktion denkt an alles). Vor vielen Jahren kam ich mit einem indischen Freund auf die Ratten zu sprechen. Bei uns daheim, meinte er, fressen sie ein Viertel der Ernte. Er fand nichts dabei; schließlich seien auch sie Gottes Geschöpfe und länger als wir auf der Erde.
Hierzulande stieße so eine Einstellung wohl kaum auf Verständnis. Oder doch?

In einem Lehrbuch für Kinder fand ich die Tiere einmal als Freunde und Helfer der Menschheit vorgestellt. Sie pflegen diese Freundschaft in den Laboratorien als Ver-suchstiere, in kleinen Behältern, jetzt sind wir beim Thema, vornehmlich der Type Makrolon.
Vor einem Jahr bei einer Veranstaltung der Veterinärmedizin zum Thema – es war kurz zuvor eine Verordnung betr. Hal-tungsvorschriften für Versuchstiere her-ausgekommen – frug eine Wissenschaftle-rin in der Diskussion traurig, warum man den Behälter Makrolon 3 zur Norm erho-ben habe und nicht wenigstens den der Größe 4. Der Vierer ist klein, der Dreier sehr klein.
Ich fragte dann, um wieviel denn ein Viererkäfig die Medikamente verteuern würde – die Ratten dienen der Pharmaforschung. Die Frage löste bei den anwesenden Forschern eine gewisse Rat-losigkeit aus, das Thema Kostenrechnung war ihnen fremd.
Kostenrechnung ist eigentlich in der Wirt-schaft etwas Selbstverständliches. Ich korrespondierte dann noch mit verant-wortlichen Stellen, Politikern, Ministerial-beamten, und gewann den Eindruck, der Gegenstand ist ihnen herzlich gleichgültig.
Unlängst bei einer Talkshow über ein Ereignis wiegelte einer der Teilnehmer ab – es hätte ja nur wenige Tote gegeben. Worauf ein anderer irgend eine historische Größe zitierte, die einmal meinte: Gut, es war nur ein kleines Gemetzel, doch den Beteiligten hat es gereicht. Vielleicht ist es den Ratten, den erwähn-ten Freunden und Helfern der Menschheit, nicht so ganz gleichgültig, in welchem Käfig sie sitzen, wie der Politik, der Wis-senschafts- und Ministerialbürokratie. Wir sollten das Thema nicht einschlafen lassen.
Erwin Lauppert, anima  3/2001

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