BVT-Ausschuss: Gedächtnisverlust

Der Vorwurf, die  Bildung der Polizei-Soko Bekleidung   2007 und der Schlag gegen die Tierschutzszene am 21.Mai 2008 seien politisch gesteuert gewesen, steht noch immer im Raum. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter ÖVP), damals Innenminister,  verneinte dieser Tage vor dem U-Ausschuss jegliche Einflussnahme, konnte sich aber ansonsten an so gut wie gar nichts mehr erinnern. Ob dieses betrüblichen Gedächtnisverlustes hier ein paar alte Erinnerungen aus  dm Jahr :2008  (aus der Zeitschrift anima Nr.2/2008):

Anm. BVT-Ausschuss: Untersuchungsausschuss des öst. Parlaments betr. das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfungt
Soko Bekleidung: Sonderkommission der Polizei mit über 30 Beamten  zur Aufklärung von Tierschutzaktivisten angelasteter Straftarten insbes. Buttersäureanschläge gegen Kleiderbauer

Der Innenminister und die Menschenwürde
Polizei: Kleine Kinder zu Tode schrecken?

Gleich ein Dementi: Bei der viel Aufsehen erregenden Polizeiaktion gegen Tierschützer gab es keinen Toten, doch tut es der Psyche eines kleinen Kindes gut, wenn vermummte Gestalten ins Schlafzimmer dringen, den Vater aus dem Bett reißen und die Pistole am Genick an die Wand stellen? Ein Sprecher des österr. Innenministeriums nennt das korrekt, den Richtlinien gemäß und verhältnismäßig. Viele Menschen sind anderer Meinung. Als Beispiel bringen wir eine Anfrage, die die Gesellschaft für humane Nutztierhaltung  an Herrn Innenminister Günther Platter richtete:

Betr. Menschenrechte

Sehr geehrter Herr Bundesminister (Platter),

im Oktober 2007 war in der „Presse“ zu lesen: In Handschellen aus einer Klasse der Volksschule Umhausen wurde ein (Anm. unschuldiger) 30-jähriger Lehrer abgeführt: die Polizisten verdächtigten ihn, nachdem Kinder gemeldet hatten, dass sie von einem Unbekannten verfolgt worden seien. Viele Menschen fragten sich, waren Handschellen notwendig. Jemand der zeitunglesend auf die U-Bahn wartet, wird festgenommen, dabei geht sein Arm in Brüche, war vor etlichen Jahren zu lesen. Geht das nicht anders? Muß bei einer Hausdurchsuchung ein Schloß aufgebrochen werden, obwohl ein Schlüssel bei der Hand ist? Angeblich Dienstanweisung. Muß ein festge-nommener alter Mann in Unterhosen durch einen Ort geführt werden? Überfallsartige Hausdurchsuchung in Linz, falsche Wohnung erwischt, unbeteiligter Wohungsinhaber verletzt. Das sind zwar ältere Vorkommnisse und wir wissen nicht, ob sich die Dinge so zugetragen haben, doch wurden sie in der Presse so kolportiert und uns ist nicht bekannt, dass sie zu einer entschuldigenden oder berichtigenden Reaktion des jeweiligen Ministers geführt hätten.

Dieser Tage veröffentlichte der „Standard“ ein Gespräch zwischen Wolfgang Petritsch, einige Jahre Hoher Repräsentant der EU für Bosnien/Herzegowina, und Univ.Prof. Christian Reder, in dem auch dieses Thema gestreift wird:
Petritsch: Was in Österreich in besonderem Maße fehlt, ist die jeweilige Rückbesinnung auf das Prinzip. Jeder prügelnde Polizist wird als Sonderfall hingestellt … Reder: … egal, ob das Innenministerium in roter oder schwarzer Hand ist. Petritsch: So ist es. Es müßte viel strikter um Unentschuldbares gehen, um absolute Grenzen. Menschenrechte als tägliche Praxis ist für uns noch immer nicht selbstverständlich.

Aktuell machte das Thema die Vorgangsweise bei der jüngsten Razzia gegen Tierschützer. Es geht zwar nicht ums Prügeln doch um Menschenrechte. Manche unserer Leser sind bekümmert über – behauptetes – brutales poli-zeiliches Vorgehen.
Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass wir alle strafgesetzwidrigen Gewaltakte ob gegen Sachen oder Personen oder Tiere entschieden ablehnen – sie schaden nebenbei bemerkt auch dem Tierschutz. Wir befürworten energisches Durchgreifen der Polizei, ob gegen Drogendealer, die in den letzen zehn Jahren direkt oder indirekt tausend oder mehr Menschenleben auf ihr Gewissen geladen haben, ob gegen Schlägerbanden, Diebs- und Räuberbanden, Brandstifter, Schlüssellochverkleber usw., und wären froh, wenn die Polizei Leben, Gesundheit und Eigentum der Bevölkerung erfolgrei-cher schützen könnte, und würden uns auch über Razzien gegen Leute, die gegen § 222 Strafgesetzbuch (Tierquälerei) verstoßen, freuen. Dies könnte nebenbei vermerkt, vielleicht verhindern, dass über Tierquälerei empörte junge Menschen kurzsichtig zu verpönter Selbsthilfe greifen.

Mancherorts wird zur Diskussion gestellt, ob der große Aufwand gegen die angenommene Tierschützerkriminalität, wie er in der personalintensiven Razzia am 21.Mai zum Ausdruck kommt, verhältnismäßig ist. Bei fünf oder sechs Millionen Straftaten im fraglichen Jahrzehnt dürfte die angepeilte Aufklärung von rund dreißig meist mindergewichtigen Delikten, fürchten wir, kaum eine fühlbare Verbesserung des Sicherheitsempfindens in der Bevölkerung bewirken.

Unsere Frage betrifft jedoch nicht dies, son-dern die behauptete, nicht unbedingt mit Menschenwürde in Einklang stehende Rauheit des polizeilichen Eingreifens. Wir greifen einige der auf diversen Tierschutz-websites behaupteten Punkte heraus:

· Am Mittwoch in der Früh, noch im Dunkeln, schlug eine Gruppe schwarz maskierter Männer meine Wohnungstür ein, hielt mir im Bett die Pistole an den Kopf und zwang mich nackt aufzustehen. Mein Bruder im Nebenzimmer wurde mit erhobenen Händen an die Wand gestellt und bekam die Pistole ins Genick, während seine 7-jährige Tochter zuschauen musste.

· unser Wunsch, die Computer aus der Stand-By-Funktion herunterzufahren, bevor sie vom Netz getrennt werden (tut man das nicht, riskiert man irreparable Schäden an der Festplatte) wird überhört.

· z.B. musste sich eine Frau nackt hinlegen, es wurde eine Waffe auf sie gerichtet und sie wurde entgegen ihrem ausdrücklichen Willen in dieser Position fotografiert.

· Kopien von beschlagnahmten wesentlichem Vereinsmaterial, insbesondere Mitgliederlisten anzufertigen, wurde verwehrt.

Was Menschen nicht verstehen: Es ging hier nicht um einen Einsatz gegen mordende Verbrecher, denen Menschenleben nichts bedeuten, die gleich schießen. Sondern gegen Leute, denen weder Mord noch Körperverletzung vorgeworfen wird. Die angenommenen Täter haben bei ihren Aktionen offensichtlich peinlich darauf geachtet, keine Menschenleben zu gefährden.

Es war also nicht zu erwarten, dass der Polizeiaktion Widerstand entgegengesetzt wird. Weshalb bedient man sich hier einer Kampftruppe, die für den Einsatz gegen Terroristen geschult wurde und dementsprechend hart agiert? Wenn die von Betroffenen erhobenen Vorwürfe zutreffen: Weshalb nahm die Behörde in Kauf, dass ein kleines Kind schwere see-lische Schäden erleidet oder etwa ein Herz-kranker vor Schreck stirbt. Wenn ein Polizeisprecher erklärt, die Polizisten hätten nach der Eigensicherung die schusssichere Kleidung und Waffen sofort abgelegt, um allfällig anwesende Kinder nicht zu verschrecken, ist das zwar fürsorglich, doch ist zu fürchten, die Kinder waren schon verschreckt.

Weshalb bemüht man sich nicht, Schäden gering zu halten? Weshalb läßt man den Betroffenen nicht Zeit, die Tür zu öffnen? Es ist doch nicht anzunehmen, dass die schlaftrunkenen Bewohner in zwei, drei Minuten Nennenswertes unwiederbringlich verschwinden lassen können; weshalb läßt man sie sich nicht gleich bekleiden?

Weshalb legt man erlaubte Vereine still, in dem man die Vereinsunterlagen beschlag-nahmt und sich konsequent weigert, legitimen überhaupt nicht beschuldigten Vereinsfunktionären Kopien der wichtigsten Unterlagen, wie etwa der Mitgliederlisten zu überlassen und läßt damit faktisch das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht auf Vereinstätigkeit zur Farce werden? Usw. Kein Wunder, wenn Meinungen kolportiert werden, es ging bei der Razzia primär gar nicht darum Straftaten zu ahnden, sondern darum unbequeme Vereine, die auf Defizite bei der Bekämpfung von Tierquälerei verweisen, stillzulegen.

Weshalb nimmt man in Kauf, daß international Österreich wieder mit Nazi- und Gestapo-Methoden in Verbindung gebracht wird?’

Sehr geehrter Herr Innenminister, wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie nicht nur unseren Leser sondern überhaupt der Öffentlichkeit gegenüber Ihren Standpunkt zu den angeschnittenen Fragen erläutern könnten.

Mit vorzüglicher Hochachtung …

Unsere Justizministerin und die Vereinsfreiheit

Die Frage der faktischen Stillegung von Vereinen (siehe oben), ein faktischer Verstoß gegen das in Art. 12 Staatsgrundgesetz den Bürgern gewährte Grundrecht, Vereine zu bilden, wurde auch Frau Justizministerin Maria Berger (SPÖ) gestellt (auszugsweise wiedergegeben):

Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

….. Es ist schwer vorstellbar, daß Kopien der Mitgliederlisten einem nicht verbotenen Verein zu belassen, die Strafrechtspflege zu beeinträchtigen zu vermag, und daß die Erstellung derartiger Kopien – was jeder ein bißchen Be-wanderte in ein paar Minuten zusammenbringt – im Rahmen einer mehrstündigen von etlichen EDV-geschulten Beamten vorgenommenen Hausdurchsuchung nicht unschwer bewerkstelligt werden kann.

Ä hnliches gilt für die ebenfalls behauptete Mitnahme von Geschäftsunterlagen eines Gewerbebetriebs oder freien Berufs, der mit Tierschutztätigkeit nicht zusammenhängt. Auch diese kann die Unterbindung der beruflichen Tätigkeit und schweren wirtschaftlichen Schaden wenn nicht Konkurs bedeuten.

Da Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin, als Ressortzuständige letzthin die Verantwortung für die Justiz tragen und wenn wir recht informiert sind auch gegenüber der Staatsanwaltschaft weisungsbefugt sind, wären wir und unsere Leser Ihnen für eine Stellungnahme dankbar, ob Sie die Verweigerung von Kopien der Vereinslisten etc. mißbilligen und dafür Sorge tragen wollen, daß den Betroffenen raschest Kopien ausgehändigt werden, bzw. falls die den Glauben der Bürger an Gesetzesschutz erschütternde Vorgangweise der staatlichen Organe gesetzeskonform ist, zum Schutze der Grundrechte der Bürger entsprechende Gesetzesänderungen in Angriff nehmen wollen….
M             it vorzüglicher Hochachtung …

Reaktionen 
Die vorstehenden Schreiben brachten zwar Antworten von Beamten der beiden Ministerien, in denen jedoch peinlich vermieden wird, auf die gestellten Fragen einzugehen.
Keiner der führenden Vertreter der Parlamentsparteien äußerte sich, soweit uns b-kannt, bis jetzt (18.6.) zu den angeschnittenen Fragen.

Wohl aber wurde in Presseaussendungen und und auch im Innenausschuß des Parlaments die polizeiliche und gerichtliche Vorgangsweise, insbes. auch die Anwendung des § 278a STGB von den grünen Nationalratsabgeordneten Brigid Weinzinger (Tierschutzsprecherin der Grünen) und Peter Pilz heftig kritisiert und die sofortige Entlassung der Verdächtigen aus der U-Haft gefordert. Zwar nicht die Justizministerin, die etwas zu „sagen“ hätte, doch der SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim übte in einer Presseaussendung und beim „Bürgeran-walt“ im ORF Kritik, bezweifelte die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Der § 278a StGB sei gegen mafiaähnliche Organisationen keinesfalls aber gegen Tier- und Umweltschützer eingeführt worden. Die Grünen stellten zudem eine ins Detail gehende parlamentarische Anfrage, die SPÖ kündigte eine solche an.

Zahlreiche Prominente und Organisationen aus dem In- und Ausland bekundeten Solidarität oder äußerten Bedenken gegen das behördliche Vorgehen, u.a. die Literatur-Nobel-preisträgerin Elfriede Jellinek, der Verband der österreichischen Tierschutzvereine amnesty international. (Nachzulesen unter www . vgt.at/ tierschutzgefangene).

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(Aus anima 2/2008))