Schießen, schaufeln, schweigen ?

Mit 1.000 Wölfen werden wir in Österreich bald rechnen dürfen, meint Prof. Klaus  Hackländer. Sie vermehren sich exponentiell. Für den Menschen sei der Wolf eigentlich nicht gefährlich. Doch sollten Wanderreiter  Wolfsgebiete eher meiden, Erwachsene dort im Wald nachts  nicht spazieren, Kinder allein auch tagsüber nicht  und in  der Dämmerung besser nicht allein zu einsamen Schulbus-Haltestellen. So der Wildbiologe und Professor an der Universität für Bodenkultur Wien kürzlich Gast in der Sendung Punkt Eins im Radio Ö 1. Nachzulesen in seinem gerade erschienenen Buch „Er ist da. Der Wolf kehrt zurück“. Anlass für die Themenwahl waren neben diesem Werk jüngste Wolfsbesuche im Zillertal und anderen  Gegenden unserer Alpen sowie am Berliner Stadtrand. 
Exponentiell: Das erste Wolfspärchen siedelte sich in Deutschland  vor zwanzig Jahren an, jetzt sind es im Osten und Norden des Lande schon 130 Rudel (Paare) ansässig.Nach Österreich kam das erste Pärchen 2016, letztes Jahr waren schon 30 oder 35 da. Bei  einiger Vorsicht ist nach Hackländer Zusammenleben mit dem Räuber durchaus möglich, selbst Freilandhaltung – vorausgesetzt die Konsumenten oder der Staat (also wir alle) zahlen die unvermeidlichen Mehrkosten. Eher schwarz sieht der Professor für die Almwirtschaft, Schutz der Weidetiere sei dort schwierig, wenn nicht praktisch der hohen Kosten wegen unmöglich. Da sei zu befürchten, dass Bauern genervt durch Wolf und Kuhurteil die ohnedies kaum mehr rentable Almwirtschaft aufgeben und die Almen zuwachsen.
Aus Sicherheitsgründen wichtig wäre  es  – wie in Wolfsländern früher üblich, Tiere die menschlichen Siedlungen zu nahe kommen abzuschießen, um  das Wolfsvolk menschenscheu zu halten. Der derzeit normierte absolute Schutz  sei nicht mehr zeitgemäß, da von einer Gefährdung der Art keine Rede mehr sein könne.   Eine Gesetzesänderung erfordere allerdings Einstimmigkeit in der EU, die schwerlich zu erreichen sei.
Das ist die Problematik überbordenden Schutzes. Weil  Abwehr verboten ist, haben die Leute Angst. Frauen fragen sich: Der Professor weiß,Wölfe greifen im Wald nur Kinder an, keine Erwachsenen. Weiß das auch der Wolf? Und gehen lieber nicht mehr Schwammerln suchen. Mütter fragen sich: Ist der Wolf wirklich nur im tiefen Wald gefährlich? Und lassen ihre Kinder auch nicht auf die Flur und vorsichtshalber   nicht einmal in den Garten, wenn der  Wald nahe ist. Und fluchen auf die Politiker, denen das Raubtier mehr wert ist als ihre Kinder. Die Bauern dagegen wissen eines genau: Den Wolfschaden bekommen sie wenn überhaupt nur zum geringen Teil ersetzt, nicht anders bei den Sicherungskosten – und lassen  das Vieh im Stall. Freilandhaltung ade.
In der Radiosendung  kamen auch die vier oder drei „S“ zur Sprache, den verpönten Slogan „Sehen, schießen, schaufeln, schweigen“, vom amerikanischen „shoot, shovel , shut up“ übernommen. Als der Salzburger Landeshauptmann vor zwei Jahren in einer mehr ländlichen Versammlung der Wortfolge Erwähnung tat, war ein empörter „Offener Brief“  des Wolfsprotektor  Prof. Kotrschal die Folge, ebenso erging es einem Walliser Staatrat letztes Jahr. Rücktrittsforderungenzuhauf. Anders 2018, als in einer Podiumsdiskussion zu „Wolf und Almwirtschaft“ vor 850 Teilnehmern, meist Bauern und Jäger, ein Schweizer Bauer meinte, die einzig brauchbare Lösung seien die drei S: tosende Applaus. Ja, des einenTerrorist, des anderen Freiheitskämpfer.
Es ist bekannt, Verzweiflung, Empörung, Wut, Angst, Hoffnungslosigkeit  können Menschen verleiten, gegen Recht und Gesetz zu verstoßen.Bei  Landwirten und Jägern spielen natürlich  wirtschaftliche Verluste, die bis zur Vernichtung der Existenzgrundlage führen können, eine große Rolle. Jagden sind ja  auch Wirtschaftsunternehmen, Rehe, Hirsche faktisch in Freiland gehaltene Nutztiere. Bedenkt man, dass ein Wolfsrudel im Jahr so an die 900 Reh-Äquivalente fressen kann, veranschaulicht das die ökonomische Bedeutung des Wolfs. Natürlich begnügt sich der Beutegreifer, wenn nichts andres da ist, mit Mäusen, Spaghetti  (so hörte man vom Appeninenwolf) oder Haushunden (Nicht umsonst empfehlen die  Behörden in Alaska  dringend, Hunde nächtens ins Haus zu nehmen).
Nicht nur Bauern und Mütter in Wolfsgebieten haben einfach Angst. Manche Tierfreunde hegen tiefen Groll gegen die Politiker, die sie für Tierquäler halten, weil sie den Wolf werken, Angst und Schrecken  verbreiten lassen. Zwei   Jahrhunderte konnten  Weidetiere in Frieden leben, Rehe hatten ihre Schonzeiten, behördliche Abschusspläne beschränkten die Tötung. Jetzt muss das Wild in ständiger Furcht leben, es gibt keine Schonzeiten mehr, Rehkinder und ihre Mütter sind schutzlos  dem Räuber ausgeliefrt.
Was bewegt viele Städter für den Wolf einzutreten? Ist der Artenschutz das Motiv?  Der Wunsch die gute alte Zeit wiederzubeleben. Warum dann gerade der Wolf und nicht die fast ausgestorbene Hausratte ( siehe den Beitrag „Zweierlei Maß“). Diesem  possierliche Tierchen  könnte man in der eigenen Wohnung beim Nagen zuschauen.  Warum nicht der Auerochs, der Wisent? Es gibt da schon gute Rückzüchtungen. Oder wenigstens der Waldrapp, der tut weder  Bauern, noch  Städtern weh. Weshalb hört man von dem so gut wie nichts?
Ist Ehrfurcht vor dem Leben der Grund, den Wolf zu schützen,  die sittliche Pflicht, dem Gebot „Du sollst nicht töten“ gehorsam zu sein? Schwer zu glauben bei einer Bevölkerung, die Jahr für Jahr 100 Millionen Tiere abschlachten lässt, um sie ohne Not aufzuessen, ja er sicht daran zu überessen.
Vielleicht ist es einfach der Nationalstolz: Hurra, wir haben Wölfe!. So wie viele stolz sind, dass wir tolle Alpin-Skiläufer haben, mit Goldmedaillen; während Länder ohne Schneeberge das nicht haben.
Übrigens noch was anderes:  Hackländer meint, alle Wölfe hier haben auch Hundegene, und Haushunde  solche vom Wolf. Wann wird  der Wolf zum Hund, wann der zum Wolf?
Sei dem alles wie es sei.  Das Wolfsregime ist rechtlich abgesichert, wird von den maßgeblichen Politikern gestützt von vielen Städtern getragen. Was können da die Geplagten, was können Menschen, die auch die anderenTiere mögen, tun? Sie dürfen traurig sein. Das ist erlaubt.
Erwin Lauppert30.5.2020
30.5.2020