. Johannes Ude

Univ.Professor   Johannes Ude (1874  – 1965),  “der Savonarola von Graz”, Priester, Asket, Sportler, Wissenschaftler, Sozialreformer, Lebensreformer, Politiker, Tierfreund, Vegetarier, Friedenskämpfer, Verfolgter, unbeugsam und unbequem … Im Rahmen des Gedenksymposiums “Abschaffung der Grazer Theologischen Fakultät durch das NS-Regime vor 80 Jahren ” wurde  am 7. Mai die Publikation “DDDDr. Johannes Ude”, verfasst von Michaela Sohn-Kronthaler und Leopold Neuhold, vorgestellt. Aus diesem Anlass  und weil sich gerade Udes Geburtstag. 7.Juli. jährt. bringen wir einen Beitrag, den Ass.Prof. Reinhard FArkas (Geschichtsinstitut der Grazer Universität)  für die anima Nr.4/1999  zur Verfügung gestelt hatte.

Ungeteilter Frieden

Ein Beitrag zum 125.Geburtstag von Johannes Ude (1874 -1965)

Reinhard Farkas

 

Die pazifistischen Positionen des österreichischen Theologen Univ.Prof. DDDDr. Johannes Ude (1874-1965) stehen im inhaltlichen und organisatorischen Zusammenhang eines lebensreformerisch geprägten christozentrischen Leitbilds. Sie erlangen, bedingt durch die Erfahrungen der verheerenden Auswirkungen des NS-Systems und des Zweiten Weltkriegs, in seinem öffentlichen Wirken eine zentrale Rolle. Ude ächtet jegliches Töten – über die Auseinandersetzung mit Krieg und Frieden hinaus – und lehnt daher Todesstrafe, Euthanasie und Abtreibung ebenso ab wie das Schlachten oder die medizinischen Tierversuche. „Menschenschutz und Tierschutz“ – so der Titel einer Broschüre – bilden eine untrennbare Einheit. Daher arbeitete Ude auch im 1947 gegründeten Österreichischen Vegetarier-Bund „Gesundes Leben“ mit, der seit 1957 der Internationalen Vegetarier-Union angehörte.

Das Friedensleitbild
Entstehung und Merkmale

Diese pazifistische Haltung wurzelt in den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs. Ude, der verschiedentlich Verwundetentransporte betreute, begann 1917 in der Grazer Mariahilferkirche für den Frieden zu predigen, und 1918 richtet sich die Schrift Kanonen oder Christentum? im Sinne eines Verständigungsfriedens an die „Staatsoberhäupter und Völker Europas“, während die Broschüre Volk in Not! mit alldeutscher Kriegsbegeisterung abrechnet und gegen Nationalismus, Chauvinismus und Militarismus eintritt.

Als Alternativen zu diesen Haltungen – es geht primär um eine Bewußtseinsänderung! – gelten Leitlinien einer christlichen Revolution, Postulate des Neuen Testaments und des frühen Christentums unter besonderer Berücksichtigung der Bergpredigt und einer Konzeption der „Waffenrüstung der Gerechtigkeit und Nächstenliebe“. Konstitutiv erscheinen dabei vor allem eine auf Agape beruhende Liebesethik des Neuen Testaments und die eschatologische Dimension des Paulinischen Christentums.

Udes Friedensprogramm steht seit den zwanziger Jahren mit seinem auf sozialen Ausgleich bezogenen Wirtschaftskonzepten und der Forderung nach einem einfachen und asketischen Leben in Verbindung (Verzicht auf Drogen, Luxusgüter, etc.).

Gegen Faschismus und Rassismus

Udes Positionen gewannen in einer Periode sich radikalisierender politisch-militärischer Bestrebungen in Europa an Bedeutung; die „faschistischen, diktatorischen und sogenannten „autoritären“ Bestrebungen schienen ihm – wie er in seiner unveröffentlichten Autobiographie notiert – „nicht Zeichen des Aufstieges einer neuen, besseren Zeit sondern sie bedeuten das Ende der bisherigen bankrotten Politik“. Kennzeichnend sind die deutliche Abgrenzung vom Terror des Ständestaates und dem Säbelgerassel der Heimwehren, aber auch die Auseinandersetzung mit den sich wieder ausdehnenden internationalen Aggressionen.

So protestierte Ude in einem Offenen Brief an Mussolini gegen den bevorstehenden Einfall in Abessinien (Äthiopien) und ließ den Text am 23.August 1935 vom Schweizer Wiler Boten und in Flugblättern verbreiten – Anlaß für Maßregelungen durch die klerikofaschistische Diktatur.

Nach den Erfahrungen mit der NS-Herrschaft erloschen Udes zeitweilige Sympathien mit dem Dritten Reich und machten einer erbitterten Gegnerschaft Platz. Einen Tag nach der Reichskristallnacht (9./10. November 1938) protestierte er in einem an den Gauleiter Sigfried Uiberreither gerichteten und in einer französischen Exilzeitschrift publizierten Offenen Brief gegen die antisemitischen Pogrome. Die seelsorgerischen Aktivitäten in der zur Dekanatspfarre Bad Aussee gehörigen Filiale Grundlsee, wohin Ude verbannt worden war, waren begleitet von antifaschistischen und antimilitaristischen Äußerungen, deretwegen der Priester am 3. September 1939 zum ersten Mal verhaftet wurde. Ein Memorandum Über den Weg zum allgemeinen Frieden mit pazifistischem Inhalt führte am 1. August 1944 zur erneuten Inhaftierung und Folter in Linz und Wels sowie zur Anklage wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung und hätte den Priester – ebenso wie 8.000 andere aus politischen Gründen hingerichtete Steirer – aufs Schafott geführt, wenn ihm die Ereignisse des April 1945 nicht die Freiheit geschenkt hätten.

Mit der Friedensbewegung der Zweiten Republik

Die Friedenspolitik verschob sich für Ude in der Zweiten Republik in das Zentrum seiner Bemühungen. Gesellschaftlich weitgehend isoliert und von seinem Lehrstuhl an der Grazer Universität verbannt, vertrieb der Theologe seine Broschüren und Pamphlete im Eigenverlag oder im Salzburger „Friedensverlag“ seines langjährigen Vertrauten Ing. Ferdinand Wessiak. Die geplante Konstituierung einer Österreichischen Friedenspartei scheiterte am Mißtrauen der Alliierten und der Bundesregierung.

Seine pazifistischen Ansichten verfocht Ude in lebensreformerisch geprägten Zeitschriften wie der Wiener Reformer-Zeitung (1960-1970), international arbeitete er im Ramen der Internationale der Kriegsdienstgegner und der Union deutscher Friedensverbände (UDF), zu deren Präsident er 1960 ernannt wurde.

In der letzten Friedensschrift Mörder unter uns! (1963), welche die Wiederbewaffnung Österreichs anprangerte, verbindet Ude die Ablehnung der Rüstungstechnologie mit einer radikalen Kritik an der „Atomwissenschaft“. Diese ökologische Perspektive wird durch eine merkliche Technik- und Fortschrittsskepsis getragen, die sich gegen einen technokratischen „Luzifergeist“ wendet.

Die vegetarische Lebensweise

Ude interpretierte gewisse Bibeltexte des Alten und Neuen Testaments im vegetarischen Sinn und stützte sich auf den Asketismus des frühen Christentums, er verwies darauf, daß „die Ernährungsweise ungemein vieler Heiligen der Kirche, der heiligen Einsiedler und ganzer Orden in den ersten Jahrhunderten, [...]die streng vegetarische“ war, „deren Speisezettel in Früchten, Rohgemüse, Wurzeln und Kräutern bestand“.

Nach Udes Ansicht entspricht der Vegetarismus „dem großen Gebot der Liebe“, während er den Fleischgenuß als Ergebnis einer egoistischen Disposition („Genußsucht“, “Genuß-
ethik“) kennzeichnete.

Vegetarisch zu leben, bedeutet, den Gleichklang mit den Naturkräften herzustellen. Für diese Harmonie verwendete Ude in den fünfziger Jahren den Begriff der Panbiologie – einer „Verbindung mit Gott und Verbundenheit mit dem All gemäß der von Gott gesetzten kosmologischen Ordnung im Sinne naturgemäßen Lebens.“

Tierschutz – Ethik der Mitgeschöpflichkeit

Udes ausgereiftes Alterswerk Das Tier als Teil der Schöpfung (1961) fordert einen „ewigen Frieden zwischen Mensch und Tier“, er geht darin von der christlichen Position der Mitgeschöpflichkeit aus und verweist auf das vegetarische „paradiesische Speisegebot“. Davon abgeleitet, stehen Initiativen gegen die wissenschaftlichen Tierversuche, gegen die Parolen eines „humanen“ und „schmerzfreien Schlachtens“ der moderaten Tierschützer, aber auch für den Artenschutz, gegen den Singvogelmord in Italien, die Stierkämpfe in Spanien oder das Ausrotten der Fauna in Afrika.

Ude betonte in seiner Schrift Natur, Pflanze, Tier und Mensch gemäß göttlicher Ordnung – mit Beziehung auf den russischen Philanthropen Leo Tolstoi (1828-1910) – daß es „vom Schlachthaus zum Schlachtfeld nur ein Schritt“ sei, daß die planvolle Abschlachtung von Tieren den Menschenmord ermögliche und einleite: „Die Schlachthäuser – ich wage es, aus tiefem Mitleid mit den Tieren, zu sagen – sind in meinen Augen eine Kulturschande für die ganze Menschheit, die in ihrer Masse immer noch auf dem kannibalischen Standpunkt steht. Das Todesröcheln der vielen Millionen und Abermillionen, Tag für Tag auf dem gesamten Erdenrund geschlachteten und geschächteten Tiere, das ständig die Hallen und Höfe der Schlachthäuser erfüllt, und das dampfende Blut, das dort vergossen wird, erhebt schwerste Anklage gegen die herzlose, immer mehr nach Fleisch verlangende Menschheit. Dieses unschuldig vergossene Blut der Tiere schreit ununterbrochen zum Himmel um Hilfe.“

Zur Umsetzung des Friedens

In den Schriften der fünfziger und sechziger Jahre gilt Frieden als „jener ganzheitliche (totale und unteilbare) Zustand, der dadurch zustande kommt, daß jeder einzelne Mensch sein gesamtes privates Leben und sein gesamtes soziales Leben, also sein Eheleben, sein Familienleben, sein Leben im Volk, sein Leben im Staat, also sein politisches, wirtschaftliches und internationales Leben im Sinne der Forderungen der zehn Gebote Gottes und der Weisungen und Gebote des Evangeliums Christi einrichtet und regelt.“

Um dieses christliche Leitbild zu verwirklichen, fordert Ude eine grundlegende Um-
orientierung des Einzelnen wie der Gesellschaft im Sinne eines Solidarismus: nach dem Motto „Dienet einander durch Liebe“ – dafür verwendet er das Fahnenwort
Metanoéite (=grch. denket um).

Der evangelische Theologe und Missionsarzt Albert Schweitzer (1875-1965), dessen Lebensspanne bis auf ein Jahr mit jener Johannes Ude übereinstimmt, schrieb diesem, „daß ich es so viel leichter gehabt habe, für das Humanitätsideal und für den Frieden einzutreten als Sie. So manches habe ich aus der Ferne im Gedanken mit Ihnen erlebt und mir dabei gedacht, daß Ihr Kämpfen eine besondere Bedeutung für das Aufkommen der Humanität und des Friedens haben muß.“ Dies gilt, obwohl sich eine breite Friedensbewegung in Europa erst nach Udes Tod entfaltete und er in seiner Kirche nur kleine Kreise von Anhängern gefunden hat.