Weihnachten und die Tiere

“Ihr wart dabei – und seid vergessen” klagt schon Ernst Wiechert und erinnert an die Tatsache, daß Tiere die ersten Geschöpfe waren, die das Jesuskind auf dieser Erde begrüßt haben. “Sie wickelte es in Windeln und legte es in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.”

Nach alter Überlieferung waren es Rind und Esel, die zwar im Lukas-Evangelium nicht erwähnt werden, wohl aber in zahlreichen apogryphen Schriften und Legenden rings um die Geburt. Einige von, ihnen hat Selma Lagerlöf in ihren “Christuslegenden” literarisch verarbeitet.

Nur wenig bekannt ist, daß an einer Stelle auch eine Katze erwähnt wird, die unter der Krippe ein Nest mit ihren Jungen hatte. (Seltsamerweise kommt die Katze – das vergötterte Tier der Ägypter – weder im Alten noch im Neuen Testament vor.)

Ihr seid vergessen! Diese Klage ist angesichts der Einstellung vieler Theologen zu unseren Tiergeschwistern nur allzu berechtigt, das war aber nicht immer so. Es widerspricht auch allem, was Jesus über die Barmherzigkeit, die gerade den Ärmsten gilt und keine Grenzen zieht, sagte, seinen Gleichnissen vom Guten Hirten, der seine Tiere liebt, und daß er, ehe er seine Botschaft den Menschen verkündete, zu den Tieren in die Wüste ging. Aber auch seine letzten Worte galten Menschen UND Tieren “Geht hin in. alle Welt und verkündet das Evangelium ALLER Kreatur.”

Ganz vergessen waren ja die Tiere gerade beim gläubigen Volk nie, und vor allem um die Christnacht ranken sich geheimnisvolle Sagen und Bräuche. So war es üblich, in der Heiligen Nacht mit Weihrauch durch alle Räume zu ziehen und auch die Tiere im Stall zu segnen. Meist bekamen sie an diesem Tag auch besonderes Futter, geweihtes Brot usw. Weit verbreitet war der Glaube, daß die Tiere in der Heiligen Nacht mit menschlicher Stimme reden, wohl auch künftige Ereignisse auf dem Hof, etwa Todesfälle, voraussagen. Sicher ging es auch um das Gedeihen der Tiere und der Ernte im kommenden Jahr, aber daneben spielte wohl auch der Respekt vor den Tieren eine Rolle oder das Bedürfnis, ihnen wenigstens einmal imJahr dankbar zu sein.

Der Ursprung dieser Bräuche liegt oft weit zurück. Wenn man in der Heiligen Nacht Hafer vor die Türe streute für das Gespann von Knecht Ruprecht, so war dies wohl ursprünglich für Wotans Pferd gedacht, der später zum Wilden Jäger wurde und mit seinem Gespann durch die Lüfte zog. In dieser Zeit der langen, dunklen Nächte wurde die Hoffnung auf die Wiederkehr des Lichts gefeiert, was später auf die Gestalt des neugeborenen Gotteskindes übertragen wurde.

Verpönt war es auch stets, in den Heiligen Nächten auf die Jagd zu gehen, in vielen Sagen folgten hier die strengsten Strafen für den Frevler. Auch die wilden Tiere sollten teilhaben am Weihnachtsfrieden, zu diesem hochheiligen Fest durften sie nicht gehetzt und getötet werden.

Aber gerade die Zeit der Rauhnächte, der dunklen Nächte zwischen dem 24. Dezember und dem 6.Jänner, waren auch die Zeit der Kobolde, der Berggeister und Alben, aller unerlösten Naturwesen. Die alten keltischen und germanischen Götter, durch den Christengott gestürzt und ins Gespenster-reich verbannt, standen noch einmal auf: Die Percht, Wotan mit seiner Wilden Jagd, begleitet von ihren einstmals heiligen Tieren: Der Rabe, der Wolf, die Eule…

Die Naturwesen, die Berge, Gewässer, Wälder beseelten, lebten noch lange im Volk weiter, bis in die neuere Zeit: Das Stille Volk der keltischen Iren, Feen, Nixen und Trolle, und es gab geheime Plätze, Opfersteine und heilige Quellen, in denen sich das Unheimliche mit dem Märchenhaften verband, Undine, die sich nach einer unsterblichen Seele sehnt, wie in Andersen’s wundersamen Märchen von der kleinen Seejungfrau. Es war die ganze unerlöste Natur mit ihrer Tierwelt, die gerade zu Weihnachten eine Stimme bekam – das Seufzen und Klagen der Schöpfung, von der auch Paulus spricht, und die ebenfalls teilhaben soll an der Erlösung der Kinder Gottes.

Vielleicht drückt dies auch eine Sage aus, von der Ebermut Rudolph in seinem Buch “Vertrieben aus Eden” berichtet. Auf welche Erlebnisse gehen solche Berichte zurück, wie “Die Pferdemette auf dem Höfler”?

“Auf dem Heimweg von einem “Engelamt” (Weihnachtsmette) in Stötten kommt ein nächtlicher Wanderer über den Höfler: Da prangte mit einen Mal der vordem dunkle Wald in gleißendem Licht: An einem wunderschönen Altar feierte ein Priester die heilige Messe … Hunderte von Pferden umstanden in weitem Rund den Altar und alle hatten sie eine Wunde am Hals … Der Bauer traute seinen Augen nicht: Mit der tödlichen Wunde hätten doch die Tiere sogleich umfallen müssen. Aber im Gegenteil, die geschundene Kreatur vereinigte sich im winterlichen Wald zu einem wundersamen Lobpreis des neugeborenen Heilands. Ganz benommen kehrte der Zeuge dieser merkwürdigen Pferdemette heim. Dann aber eilte er noch in derselben Nacht zu den Nachbarn und Freunden, um ihnen dieses Christnachtswunder zu erzählen. Und wie die Leute auf diese Nachricht hin vom Seehof herüber und vom Auerberg herab auf den Höfler eilten, da war von Priester, Altar und den Messbesuchern nichts mehr zu sehen. Nur im Schnee bemerkten sie zahlreiche Blutspuren und die Abdrücke vieler Pferdehufe.”

Der Autor fragt sich, ob es sich bei der Halswunde der Pferde vielleicht um eine Erinnerung an vorchristliche Pferdeopfer handle, oder nur um eine Manifestation des der Kreatur vom Menschen zugefügten Leides. Was ist der Ursprung solcher Visionen, deren es zahlreiche in der Überlieferung, des Volkes gibt? Rudolph meint abschließend: „Es muß wohl dem Empfinden der frommen Menschen jener Gegend entsprochen haben, wenn sie auch die vom Menschen gepeinigte Kreatur vereint sehen wollte zum Preise des göttlichen Kindes, das sich damit – wir verharren noch immer streng im Rahmen des durch die Sage wohl Gemeinten – auch als Erlöser der außermenschlichen Kreatur erweist.”

Weihnachten und die Tiere! Wer denkt noch an sie, wenn sie sich in den Regalen der Großkaufhäuser

zu Bergen türmen, die Leichen der Puten, der Gänse und Enten aus Massentierhaltung, berieselt vom ständigen Klang der Weihnachtslieder, die zum Kauf animieren sollen, “Stille Nacht” zu Reklamezwecken mißbraucht? Das Weihnachtsgeschäft blüht, die Engel der Hirten und der Stern von Bethlehem müssen herhalten, um die Kassen zu füllen. Das Geburtsfest des heimatlosen Kindes im Stall ist zu einer Orgie des Luxus und der Schlemmerei geworden … Weihnachtsmänner auf den Straßen heizen den Kommerz an … und ich sah als Christkinder verkleidete Girlies, die zum Vergnügen der anwesenden Herren Striptease machten …

In unserer Spaßgesellschaft hört man die leisen Stimmen der Tiere und der Engel in der Christnacht nicht mehr. Aber vielleicht gibt es doch einige, die sie hören, weil sie gelernt haben, mitten im Lärm die Stille zu hören.

Friede auf Erden allen Tieren und allen Menschen, die guten Willens sind!
                                                                                              Christine Beidl

(aus anima 4/2001)

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