Zur Vegan-Debatte

Ein Hecht, vom heiligen Anton / bekehrt, beschloss, samt Frau und Sohn, / am vegetarischen Gedanken / moralisch sich emporzuranken. / Er aß seit jenem nur noch dies: / Seegras, Seerose und Seegries. / Doch Gries, Gras, Rose floss, o Graus, / entsetzlich hinten wieder aus. / Der ganze Teich ward angesteckt. / Fünfhundert Fische sind verreckt. / Doch Sankt Anton, gerufen eilig, /sprach nichts als: Heilig! heilig! heilig!
Christian Morgenstern (1871 –1914)

 Im Beitrag „Muh“  betr. Kühe in der letzten Nummer der anima wie  auch früher schon wurde die These vertreten, Milchverzicht bedeute wenigstens unter den speziellen österreichischen Verhältnissen insgesamt gesehen in der Regel keine Minderung der Tieropfer. Diese These an sich wurde in Leseräußerungen nicht bestritten. Wir würden uns freuen, könnte sie sachlich und begründet widerlegt werden. Herbe Schelte mussten wir einstecken, weil hier Veganismus als universeller Heilbringer in einem Punkt in Frage gestellt wurde. Wie könne eine Veggie_Zeitung Zweifel an der generellen Wirksamkeit veganer  Lebensweise aussprechen? Da scheint uns  doch eine klärende Erörterung wichtig. Vorerst: Ideale zu haben bedeutet u.M. nicht, alles Dagegenstehende zu ignorieren.

 

Streng vegetarische, seit einigen Jahren meist vegan genannte Lebensweise kann verschiedene Gründe haben. Die wikipedia fasst zusammen: Tierethik Tierrechte, Tierschutz, Umweltschutz, Gesundheit, Verteilungsgerehtigkeit, Wlternährungsproblematik, Religion, Herrschaftskritik ..,

 

Der Muh-Artikel betrifft allein die Tierschutz -Facette, und auch da nur einen Teilsaspekt, den Milchkonsum. Er tangiert also andere Motive für veganes Leben zB gesundheitliche, esoterische, grundsätzliche überhaupt nicht.

 

Wer einen Badeausflug machen will, tut gut zuvor aus dem Fenster zu schauen, ob es regnet. Die Feststellung „es schüttet“ wird kein Mensch als ideologisches Bekenntnis zu Schlechtwetter werten.

 

Vor einem halben Jahrhundert forderte der Tierschutz aus durchaus triftigen Gründen Rinder in der Eisenbahn „Kopf/Kopf“ und nicht wie zuvor üblich „Kopf/Schwanz“ zu transportieren. Die Bundesbahnen folgten und ordneten das neue Verladungsschema an. Der Haken: Die Viehwaggons waren für das alte System ausgerüstet: ein Anbinde-Ring aus der linken Seite, der nächste auf der rechten, der dritte wieder links usw. So hängte das Verladepersonal eben zwei Stiere an einen Ring. Die wenn auch nicht häufige Folge: Das Horn des einen Stiers verfing sich im Auge des anderen und stocherte auf der stundenlangen Fahrt ununterbrochen im Hirn des Opfers. Das tragische Beispiel zeigt: Vor Verwirklichung einer noch so schönen Idee sollte man die Faktenlage beachten.

 

Die beiden Hauptpunkte in der veganen Ernährung sind Milch- und Ei-Verzicht.

 

Aus den befruchteten Eiern  der allein fürs Legen gezüchteten Rassen schlüpfen je zur Hälfte männliche und weibliche Küken. Die männlichen sind wirtschaftlich unbrauchbar, daher werden sie in den ersten Lebenstagen selektiert und getötet. Schon das ist ein triftiger Grund, auf Ei zu verzichten. Die weiblichen dürfen etwa eineinhalb Jahre leben, länger rentiert es sich nicht, wenigstens bei den Preisen, die Konsumenten zu zahlen gewillt sind. Die alten Batterien sind zwar abgeschafft, doch auch in der üblichen Bodenhaltung, reiner Stahlhaltung mit vielen tausenden Tieren ist das Leben meist triste, normale Freilandhaltungen sind praktisch für die übergroße Mehrheit der Hühner Stallhaltung mit allen Nachteilen der intensiven Massentierhaltung. Den Bio-Hühnern geht es meist nicht viel besser. Gerade jetzt wurde im Fernsehen über einen „Bio“-Betrieb für18.000 Hennen diskutiert. Wohin ist Bio geraten?  Es gibt einige Betriebe, die besser sind, zB  die, deren Eier unter dem Zeichen „Tierschutzkontroliert“ vermarktet werden, doch auch hier geht die Tendenz zu artwidrigen 3.000er-Herden.  In der Regel ist das Leben auch da nicht so rosig, dass man guten Gewissens sagen könnte, es ist es wert, dafür den baldigen unschönen Tod und den grauslichen Weg zur Schlachtung in Kauf zu nehmen.

 

Die Schlachtkörper werden eher zu Tierfutter (z.B für Hund und Katze) als zu Menschenfutter verarbeitet – das einst beliebte Suppenhuhn ist abgekommen. Die Gefahr, dass Fleischesser, der Legehenne beraubt, andere Tiere schlachten lassen, ist gering.

 

Also: Ei? Besser kein’s.

 

Noch besser allerdings tätige Hilfe fürs arme Federvieh:

 

Warum nicht ein paar ausgemusterte Legehennen bei sich aufnehmen, wennman einen Garten hat? Nicht nur die Fleischfresser  Hund und Katz können liebe Haus- und Gartengenossen sein. Weshalb sich nur um die Rettung von Streunerhunden bemühen?.

 

Die Problematik beim Milchverzicht liegt darin, dass sich damit hierzulande, wie in „Muh“ näher ausgeführt, die Tiertötungen insgesamt nicht vermindern lassen. Weil, vereinfacht gesagt: Wer keinen Rindsbraten mehr kriegt, wird zum Schweinsschnitzel greifen. Man hat uns empört gefragt: Ja wissen Sie denn nicht, wie schlecht Kälber behandelt werden? Wir wissen es, wir wissen aber auch, wie schlecht es Schweinen, Hühner, Puten etc. geht. Insgesamt wohl schlechter als den Rindern. Natürlich kann, wem Kälber näher am Herzen liegen, durch Milchverzicht tristes Leben auf anderes Getier abschieben, mehr aber  – leider – nicht.

 

Zum Schluss noch etwas Zahlenspielerei.

 

Der Durchschnittsmensch isst (und lässt zuvor töten) im Laufe seines Lebens sehr grob gerundet. (in Deutschland wurden höhere Zahlen errechnet): 

 

1.000 warmblütige Tiere, davon

 

   750 Masthühner und sonstiges -geflügel

 

   150 Legehennen und Küken zusammen

 

   100 Vierfüßler, insbes. Schweine

 

           darunter nur 4 Rinder oder Kälber.

 

Hinzuzurechnen wären noch die Warmblütler,  die mehr oder minder unvermeidlich der Pflanzenproduktion zum Opfer fallen, also auch von Veganern nicht gerettet werden können. Ich schätze sie auf etwa hundert.

 

Aus all den Darlegungen ergibt sich aus Tierschutzsicht der Schluss:

 

Konzentrieren wir uns vorerst vor allem darauf, die den Menschen den Laktovegetarismus nahe zu bringen und bemühen wir uns, das Leben der Rinder schöner zu gestalten.

Erwin Lauppert (aus anima Winter 2014)