Der 21. Mai 2008

Aus Anlass der  unten stehenden Notiz “2,6 Mill. €” zu den Kosten des Tierschutzprozesses vor einem Jahrzehnt zur Erinnerung einige Notizen  aus der Zeitschrift anima Nr.2/2008 über die Anfänge der Causa:

 Der 21. Mai

Der 21.Mai, der UNESCO-Welttag der kulturellen Vielfalt, war für die österreichische Tierschutzszene ein merk-würdiger Tag. In einer bundesweiten von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gesteuerten Polizeiaktion wurden zehn aktive Tierschützer/Tierrechtler festgenommen, 23 Wohnungen, Vereinsbüros etc. stundenlang durchsucht, fast alle Unterlagen ob Computer, Handys, Papiere mitge-nommen. Inhaftiert wurden u.a. der Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) DDr.Balluch Die Arbeit der sehr aktiven Vereine VgT, RespekTiere, TierWeGe unsd anderer wurde durch ersatzlose Be-schlagnahme von Spenderlisten und Arbeitsmaterials unmöglich gemacht oder schwer beeinträchtigt. Die zehn Festgenommenen, denen man auch noch drei Wochen später noch nicht gesagt hat, wessen man sie im einzelnen beschuldigt und die sich daher bislang auch nicht verteidigen konnten, sitzen seither, zuletzt verlängert bis Anfang Juli, in Untersuchungshaft.

Grund für die Aktion waren soweit den dürftigen Angaben der Staatsanwaltschaft zu entnehmen rund 30, nach anderer Angabe 14 Delikte mit tatsächlichem oder angenommenen Tierschutzbezug, die im letzten Jahrzehnt begangen wurden und die die Staatsanwaltschaft allerdings ohne personelle Präzisierung den Beschuldigen zuordnet, darunter zwei Brandanschläge im Jahre 2000, etliche Buttersäureattentate gegen Pelz- oder auch Pelz führende Geschäfte wie Kleider Bauer, und andere kleinere Sachbeschädigungen, sowie auch Stalking gegen eine Sprecherin der Fa. Kleider Bauer, und auf all dem fußend vor allem der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Organisation (§278a Strafgesetzbuch, der Mafiaparagraf).

Die Zahl der im letzten Jahrzehnt insgesamt angezeigten, ob zutreffend oder nicht der Tierschutzszene zugeordneten Gerichtsdelikte lag laut Verfassungsschutzberichten höher, 2002 bis 2006 jährlich zwischen 18 und 37. Gemessen an den gerichtlich strafbaren Delikten überhaupt (rund 500.000 bis 600.000 jährlich) also mikroskopisch wenig; für größere Unternehmen nicht mehr als ein kaum fühlbarer Nadelstich, für einen kleinen Familienbetrieb, der in unserem die Großen begünstigenden kapitalistischen Wirtschaftssystem bereits am Abgrund steht, jedoch unter Umständen existenzbedrohend.
Einige der Inhaftierten traten aus Protest in den Hungerstreik, nach drei Wochen verharrt nur mehr DDr.Balluch, inzwischen ins Gefängniskrankenhaus eingeliefert (und jetzt künstlich ernährt), bei diesem Protest.

(Eine Anmerkung: Ich würde von Hungerstreik abraten. Die britische Regierung beeindruckte der Hungertod Barry Hornes nicht im mindestens; dabei ging es nur um die Einlösung des Wahlversprechens, eine Kommission zur Überprüfung der Tierversuchspraxis einzusetzen; der ORF hat den vielwöchigen Hungerstreik von Dolores Ozimic totgeschwiegen; unsere Regierung hatte seinerzeit für das Embargo gegen den Irak gestimmt, und blieb still, als Experten verzweifelt aus-riefen, es habe nichts gebracht außer den Tod einer halben Million Kinder; zur Zeit des Nato-Angriffs auf Serbien, der immerhin direkt oder indirekt Tauenden das Leben kostete, begrüßte der damalige Bundeskanzler das Bombenwerfen…. Ich vermute, unsere Regierungen besitzen eine so solide emotionelle Struktur, daß sie den Hungertod eines Gefangenen durchaus verkraften).

Man könnte zur Tagesordnung übergehen, sagen, wer Gewalt übt muß damit rechnen eingesperrt zu werden, man könnte den Gerichtsbehörden vertrauen, Gewalt-täter zu ermitteln und zu verurteilen. Gäbe es da nicht etliche Merkwürdigkeiten in der staatlichen Vorgangsweise, die wei-ter unten dargestellt sind. Zuvor noch ein paar Vorbemerkungen.

Ö sterreich ist, zumindest tun die Medien so, im Fußballfieber: Europameister-schaften. Seit Monaten malen Zeitungen ein Schreckensszenario an die Wand, als ob – man verzeihe die rassistische For-mulierung – die Hunnen kämen, Polizei aus halb Europa wird zusammengezogen, um den befürchteten Horden randa-lierender, Mensch und Gut zusammen-schlagender Fans zu begegnen. Eine be-merkenswert kriminalitätsbezogene und dabei sehr gewinnträchtige Veranstal-tungskette des Fußballbundes. Ein klassi-scher Fall für den § 278a StGB? Niemand, nicht einmal der Staatsanwalt denkt daran.

Engagierte Tierschützer informieren über Tierquälerei. Sie zeigen nicht nur kleine Taten kleiner Leute auf; auch schwere und gewerbsmäßige des einen oder anderen großen Unternehmens; mag die Quä-lerei gesetzwidrig, mag sie begünstigt durch lasche Normen gesetzeskonform sein. Sie informieren über Säumnisse staatlicher Organe bei der Verfolgung, über Hinwegsehen…. Da kann es immer einmal passieren, daß der eine oder die andere Zuhörende sich sagt, da kann ich nicht mehr zuschauen, ich muß selbst das Recht in die Hand nehmen. Umso mehr als richtungsweisende Persönlichkeiten immer wieder den Alten vorwerfen, sie hätten unter Adolf Hitler keinen Widerstand geleistet, sich feige nicht der Gefahr des Märtyrertums ausgesetzt.

Sind die, die Tierquälerei aufgedeckt haben, für strafbaren Widerstand einzelner verantwortlich?
Das Thema Widerstandsrecht gegen einen ungerechten Staat, gegen gesetzlich geschützte Brutalität der Oberen gegen Schwache wird seit Jahrtausenden diskutiert, die Streitschriften und philosophischen Abhandlungen füllen Bibliotheken. Auch in unserem Blättchen war darüber schon viel zu lesen. Wir wollen die Debatte nicht über Gebühr ausdehnen, die anima hat sich oft genug gegen Gewalt ausgesprochen.

Die Einstellung gegenüber Terror variiert bekanntlich. Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer. Ob im Tierschutz oder in der hohen Politik. Unser Alt-Nationalratspräsident Andreas Khol, ein Tiroler, wird vermute ich bei Absingen der Tiroler Landeshymne einem Terroristen alias Freiheitskämpfer die gebührende Reverenz erweisen, während er gegen Leute, die nicht in Mantua sondern in Wiener Neustadt in Banden, sehr harte Worte findet. Menschen, die für die Befreiung von Tieren und nicht von Tirolern kämpfen, dürften nicht so sein Fall sein. Die ambivalente Haltung Regierender, die ihr Fähnchen nach dem Wind hängen, Terrorakte bejubeln oder verurteilen je nachdem, macht die Situation nicht durchsichtiger.

Weshalb hat der 11.September 2001 geradezu Kultstatus, während der 20.August 1998 praktisch vergessen ist? Wiewohl die Zerstörung der Medikamentenfabrik El-Shifa im Sudan durch die Machthaber der USA indirekt ein Vielfaches an Menschenleben gekostet hat. Ist es vielleicht so, daß Dunkelhäutige im westlichen Denken immer noch immer eher als untere Menschen gelten, deren Leid nicht viel mehr zählt als das von Tieren? In einem Bericht über England stand vor ein paar Jahren in der anima: „Übrigens lehnen diejenigen, die sich der sogenannten ALF (Animal Liberation Front) zugehörig fühlen (die gewundene Formulierung, weil es die ALF als Organisation gar nicht gibt), Terror gegen Leib und Leben ab. Die Terroristen sind ihrer Meinung nach diejenigen, die Lebewesen unter häßlichen Bedingungen aufziehen und mit ihnen Versuche betreiben.“

Der in Tel Aviv geborene, in Österreich lebende Schriftsteller Doron Rabinovici schreibt in seiner jüngst erschienenen Abhandlung ‚Der ewige Widerstand’: „Die Geschichte des Widerstands ist so alt wie die der menschlichen Politik, und nichts deutet darauf hin, daß sie irgendwann zu Ende gehen könnte. Der Widerstand wohnt jeder Macht von Anfang an inne, wobei die Formen des Widerstands sich jenen der Macht anzupassen versuchen. Der Widerstand ist eine Konstante, aber ebenso ewig ist der Streit über den Widerstand.“

Blicken wir zurück in die Geschichte. Immer wieder haben allen Sanktionen der Obrigkeit zum Trotz Menschen gegen Ungerechtigkeit rebelliert. Es wird sich auch in Zukunft nicht verhindern lassen, daß der eine oder andere junge Mensch empört über brutale Tierquälerei zur Gewalt greift. Nicht nur junge Menschen. Der französische Schriftsteller Emile Zola schrieb vor mehr als einem Jahrhundert: „Wir haben in Paris erlebt, daß einige alte Damen den gelehrten Vivisektoren auflauerten und mit ihren Sonnenschirmen über sie herfielen. Sie schienen eher lächerlich. Aber kann man sich die Empö-rung vorstellen, welche diese armen Seelen bei dem Gedanken ergreifen mußte, daß man lebende Hunde nahm, um sie in Stücke zu zerschneiden? Man bedenke doch, daß sie diese erbarmungswürdigen Hunde lieben, und daß es ihnen ist, als schnitte man ihnen in das eigne Fleisch!“

Die anima hat Moral- und Rechtsphilosophie beiseitegelassen abseits aller Theorie aus der Sicht praktischer Tierschutzarbeit immer den Standpunkt vertreten: „Der Glaube, eine kleine gewaltbereite Gruppe ohne Rückhalt in der großen Mehrheit der Bevölkerung könne gegenüber Kapital und Staat siegen, ist realitätsfremd. Unter den gegebenen Verhältnissen schadet Gewalt dem Tierschutz nur. Wer – zwar emotionell verständlich – auf Gewalt setzt, läuft Gefahr, letztlich nur eines zu erreichen, den Polizeistaat.“ Das hat sich besonders in der jüngeren restriktiven Gesetzgebung vor allem in den USA und in Großbritannien gezeigt, wo bereits ein gegen ein Unternehmen gerichteter kri-tischer Brief den Schreiber für drei Monate oder länger ins Gefängnis bringen kann, und es zeigt sich gerade jetzt in Österreich.

Nun zu den Merkwürdigkeiten der Polizeiaktion. Da ist einmal der gerichtsunwürdige Trick, mit dem der Fall der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zugeschoben wurde, die mit den Gewalt-akten nichts oder am wenigsten zu tun hat. Da schweigt sich drei Wochen nach den Verhaftungen die Staatsanwaltschaft immer noch aus, welchem Beschuldigten sie welche konkrete Tat vorwirft, und zieht sich auf den nebulosen § 278a StGB – Bildung einer kriminellen Organisation zurück, der nach den Beteuerungen der Regierungsparteien für Mafia, Menschen- und Drogenhändler gedacht war und gegen den schon Amnesty International im Gesetzgebungsverfahren als über-schießend Bedenken äußerte; selbst Organisationen wie Greenpeace und deren Spender könnten danach als kriminell belangt werden. Übrigens hat auch der grüne Angeordnete Pilz aus Anlaß der Aktion gegen Tierschützer dargelegt, daß selbst die ÖVP dem Paragraphen unter-stellt werden könnte.

Da ist die der Menschenwürde hohnsprechende Vorgangsweise bei Festnahmen und Haussuchungen, der im Verhältnis zu den angekreideten Delikten erstaunlich hohe Personaleinsatz, den man sich in gravierenderen, Leben und Eigentum der Bürger bedrohenden Strafsachen wünschte. Da ist das Ausräumen ganzer Vereinsbüros und damit die praktische Unterbindung der Vereinstätigkeit, Punkte, die an anderer Stelle des Blattes näher beschrieben sind.

All das nährt die Vermutung, die Staats-anwaltschaft habe, nachdem mehr als ein Jahr Telefon- und Mailüberwachung nichts gebracht haben, ohne konkrete Ver-dachtsgründe auf gut Glück zugeschlagen in der Hoffnung, in den beschlagnahmten umfangreichen Vereinmaterialien irgend etwas Belastendes zu finden. Und es nährt noch einen Verdacht:

Aktive Tierschützer haben viele Feinde. Sie decken auf, wie es in Tierfabriken zugeht, was in Tierversuchslabors passiert, bedrängen Politiker und Leute, die ihre schützende Hand über tierquälerische Machenschaften halten, demonstrieren gegen Pelzverkäufer, gegen Freizeitjäger, die zum Spaß und auch noch schlecht auf Tiere schießen, öffnen den Menschen die Augen, was so an Scheußlichkeiten geschieht. Solche Leute sind unbequem und mancher möchte sie weghaben.
Die Verpflichtung, Straftaten zu ahnden, ist unbestritten. Doch wenn legitimen Vereinen ihre Arbeitsgrundlagen weggenommen werden, steht der Vorwurf im Raum, es ginge manchem gar nicht so sehr um die Ahnung von Delikten, sondern darum, störende Leute kaltzustellen und mit einem vernichtenden Schlag für lange Zeit aktive, legitime Tierschutztätigkeiten zu unterbinden.

Erwin Lauppert

Der Innenminister und die Menschenwürde
Polizei: Kleine Kinder zu Tode schrecken?

Gleich ein Dementi: Bei der viel Aufsehen erregenden Polizeiaktion gegen Tierschützer gab es keinen Toten, doch tut es der Psyche eines kleinen Kindes gut, wenn vermummte Gestalten ins Schlafzimmer dringen, den Vater aus dem Bett reißen und die Pistole am Genick an die Wand stellen? Ein Sprecher des österr. Innenministeriums nennt das korrekt, den Richtlinien gemäß und verhältnismäßig. Viele Menschen sind anderer Meinung. Als Beispiel bringen wir eine Anfrage, die die Gesellschaft für humane Nutztierhaltung (www nutztierhaltung.org) an Herrn Innenminister Günther Platter richtete:

Betr. Menschenrechte

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

im Oktober 2007 war in der „Presse“ zu lesen: In Handschellen aus einer Klasse der Volksschule Umhausen wurde ein (Anm. unschuldiger) 30-jähriger Lehrer abgeführt: die Polizisten verdächtigten ihn, nachdem Kinder gemeldet hatten, dass sie von einem Unbekannten verfolgt worden seien. Viele Menschen fragten sich, waren Handschellen notwendig. Jemand der zeitunglesend auf die U-Bahn wartet, wird festgenommen, dabei geht sein Arm in Brüche, war vor etlichen Jahren zu lesen. Geht das nicht anders? Muß bei einer Hausdurchsuchung ein Schloß aufgebrochen werden, obwohl ein Schlüssel bei der Hand ist? Angeblich Dienstanweisung. Muß ein festge-nommener alter Mann in Unterhosen durch einen Ort geführt werden? Überfallsartige Hausdurchsuchung in Linz, falsche Wohnung erwischt, unbeteiligter Wohungsinhaber verletzt. Das sind zwar ältere Vorkommnisse und wir wissen nicht, ob sich die Dinge so zugetragen haben, doch wurden sie in der Presse so kolportiert und uns ist nicht bekannt, dass sie zu einer entschuldigenden oder berichtigenden Reaktion des jeweiligen Ministers geführt hätten.

Dieser Tage veröffentlichte der „Standard“ ein Gespräch zwischen Wolfgang Petritsch, einige Jahre Hoher Repräsentant der EU für Bosnien/Herzegowina, und Univ.Prof. Christian Reder, in dem auch dieses Thema gestreift wird:
Petritsch: Was in Österreich in besonderem Maße fehlt, ist die jeweilige Rückbesinnung auf das Prinzip. Jeder prügelnde Polizist wird als Sonderfall hingestellt … Reder: … egal, ob das Innenministerium in roter oder schwarzer Hand ist. Petritsch: So ist es. Es müßte viel strikter um Unentschuldbares gehen, um absolute Grenzen. Menschenrechte als tägliche Praxis ist für uns noch immer nicht selbstverständlich.

Aktuell machte das Thema die Vorgangsweise bei der jüngsten Razzia gegen Tierschützer. Es geht zwar nicht ums Prügeln doch um Menschenrechte. Manche unserer Leser sind bekümmert über – behauptetes – brutales poli-zeiliches Vorgehen.
Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass wir alle strafgesetzwidrigen Gewaltakte ob gegen Sachen oder Personen oder Tiere entschieden ablehnen – sie schaden nebenbei bemerkt auch dem Tierschutz. Wir befürworten energisches Durchgreifen der Polizei, ob gegen Drogendealer, die in den letzen zehn Jahren direkt oder indirekt tausend oder mehr Menschenleben auf ihr Gewissen geladen haben, ob gegen Schlägerbanden, Diebs- und Räuberbanden, Brandstifter, Schlüssellochverkleber usw., und wären froh, wenn die Polizei Leben, Gesundheit und Eigentum der Bevölkerung erfolgrei-cher schützen könnte, und würden uns auch über Razzien gegen Leute, die gegen § 222 Strafgesetzbuch (Tierquälerei) verstoßen, freuen. Dies könnte nebenbei vermerkt, vielleicht verhindern, dass über Tierquälerei empörte junge Menschen kurzsichtig zu verpönter Selbsthilfe greifen.

Mancherorts wird zur Diskussion gestellt, ob der große Aufwand gegen die angenommene Tierschützerkriminalität, wie er in der personalintensiven Razzia am 21.Mai zum Ausdruck kommt, verhältnismäßig ist. Bei fünf oder sechs Millionen Straftaten im fraglichen Jahrzehnt dürfte die angepeilte Aufklärung von rund dreißig meist mindergewichtigen Delikten, fürchten wir, kaum eine fühlbare Verbesserung des Sicherheitsempfindens in der Bevölkerung bewirken.

Unsere Frage betrifft jedoch nicht dies, son-dern die behauptete, nicht unbedingt mit Menschenwürde in Einklang stehende Rauheit des polizeilichen Eingreifens. Wir greifen einige der auf diversen Tierschutz-websites behaupteten Punkte heraus:

· Am Mittwoch in der Früh, noch im Dunkeln, schlug eine Gruppe schwarz maskierter Männer meine Wohnungstür ein, hielt mir im Bett die Pistole an den Kopf und zwang mich nackt aufzustehen. Mein Bruder im Nebenzimmer wurde mit erhobenen Händen an die Wand gestellt und bekam die Pistole ins Genick, während seine 7-jährige Tochter zuschauen musste.

· unser Wunsch, die Computer aus der Stand-By-Funktion herunterzufahren, bevor sie vom Netz getrennt werden (tut man das nicht, riskiert man irreparable Schäden an der Festplatte) wird überhört.

· z.B. musste sich eine Frau nackt hinlegen, es wurde eine Waffe auf sie gerichtet und sie wurde entgegen ihrem ausdrücklichen Willen in dieser Position fotografiert.

· Kopien von beschlagnahmten wesentlichem Vereinsmaterial, insbesondere Mitgliederlisten anzufertigen, wurde verwehrt.

Was Menschen nicht verstehen: Es ging hier nicht um einen Einsatz gegen mordende Verbrecher, denen Menschenleben nichts bedeuten, die gleich schießen. Sondern gegen Leute, denen weder Mord noch Körperverletzung vorgeworfen wird. Die angenommenen Täter haben bei ihren Aktionen offensichtlich peinlich darauf geachtet, keine Menschenleben zu gefährden.

Es war also nicht zu erwarten, dass der Polizeiaktion Widerstand entgegengesetzt wird. Weshalb bedient man sich hier einer Kampftruppe, die für den Einsatz gegen Terroristen geschult wurde und dementsprechend hart agiert? Wenn die von Betroffenen erhobenen Vorwürfe zutreffen: Weshalb nahm die Behörde in Kauf, dass ein kleines Kind schwere see-lische Schäden erleidet oder etwa ein Herz-kranker vor Schreck stirbt. Wenn ein Polizeisprecher erklärt, die Polizisten hätten nach der Eigensicherung die schusssichere Kleidung und Waffen sofort abgelegt, um allfällig anwesende Kinder nicht zu verschrecken, ist das zwar fürsorglich, doch ist zu fürchten, die Kinder waren schon verschreckt.

Weshalb bemüht man sich nicht, Schäden gering zu halten? Weshalb läßt man den Betroffenen nicht Zeit, die Tür zu öffnen? Es ist doch nicht anzunehmen, dass die schlaftrunkenen Bewohner in zwei, drei Minuten Nennenswertes unwiederbringlich verschwinden lassen können; weshalb läßt man sie sich nicht gleich bekleiden?

Weshalb legt man erlaubte Vereine still, in dem man die Vereinsunterlagen beschlag-nahmt und sich konsequent weigert, legitimen überhaupt nicht beschuldigten Vereinsfunktionären Kopien der wichtigsten Unterlagen, wie etwa der Mitgliederlisten zu überlassen und läßt damit faktisch das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht auf Vereinstätigkeit zur Farce werden? Usw. Kein Wunder, wenn Meinungen kolportiert werden, es ging bei der Razzia primär gar nicht darum Straftaten zu ahnden, sondern darum unbequeme Vereine, die auf Defizite bei der Bekämpfung von Tierquälerei verweisen, stillzulegen.

Weshalb nimmt man in Kauf, daß international Österreich wieder mit Nazi- und Gestapo-Methoden in Verbindung gebracht wird?

Sehr geehrter Herr Innenminister, wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie nicht nur unseren Leser sondern überhaupt der Öffentlichkeit gegenüber Ihren Standpunkt zu den angeschnittenen Fragen erläutern könnten.

Mit vorzüglicher Hochachtung …

Unsere Justizministerin und die Vereinsfreiheit

Die Frage der faktischen Stillegung von Vereinen (siehe oben), ein faktischer Verstoß gegen das in Art. 12 Staatsgrundgesetz den Bürgern gewährte Grundrecht, Vereine zu bilden, wurde auch Frau Justizministerin Maria Berger gestellt (auszugsweise wiedergegeben):

Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

….. Es ist schwer vorstellbar, daß Kopien der Mitgliederlisten einem nicht verbotenen Verein zu belassen, die Strafrechtspflege zu beeinträchtigen zu vermag, und daß die Erstellung derartiger Kopien – was jeder ein bißchen Be-wanderte in ein paar Minuten zusammenbringt – im Rahmen einer mehrstündigen von etlichen EDV-geschulten Beamten vorgenommenen Hausdurchsuchung nicht unschwer bewerkstelligt werden kann.

Ä hnliches gilt für die ebenfalls behauptete Mitnahme von Geschäftsunterlagen eines Gewerbebetriebs oder freien Berufs, der mit Tierschutztätigkeit nicht zusammenhängt. Auch diese kann die Unterbindung der beruflichen Tätigkeit und schweren wirtschaftlichen Schaden wenn nicht Konkurs bedeuten.

Da Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin, als Ressortzuständige letzthin die Verantwortung für die Justiz tragen und wenn wir recht informiert sind auch gegenüber der Staatsanwaltschaft weisungsbefugt sind, wären wir und unsere Leser Ihnen für eine Stellungnahme dankbar, ob Sie die Verweigerung von Kopien der Vereinslisten etc. mißbilligen und dafür Sorge tragen wollen, daß den Betroffenen raschest Kopien ausgehändigt werden, bzw. falls die den Glauben der Bürger an Gesetzesschutz erschütternde Vorgangweise der staatlichen Organe gesetzeskonform ist, zum Schutze der Grundrechte der Bürger entsprechende Gesetzesänderungen in Angriff nehmen wollen….

Mit vorzüglicher Hochachtung …

Reaktionen 

Die vorstehenden Schreiben brachten zwar Antworten von Beamten der beiden Ministerien, in denen jedoch peinlich vermieden wird, auf die gestellten Fragen einzugehen.

Keiner der führenden Vertreter der Parlamentsparteien äußerte sich, soweit uns b-kannt, bis jetzt (18.6.) zu den angeschnittenen Fragen.

Wohl aber wurde in Presseaussendungen und und auch im Innenausschuß des Parlaments die polizeiliche und gerichtliche Vorgangsweise, insbes. auch die Anwendung des § 278a STGB von den grünen Nationalratsabgeordneten Brigid Weinzinger (Tierschutzsprecherin der Grünen) und Peter Pilz heftig kritisiert und die sofortige Entlassung der Verdächtigen aus der U-Haft gefordert. Zwar nicht die Justizministerin, die etwas zu „sagen“ hätte, doch der SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim übte in einer Presseaussendung und beim „Bürgeran-walt“ im ORF Kritik, bezweifelte die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Der § 278a StGB sei gegen mafiaähnliche Organisationen keinesfalls aber gegen Tier- und Umweltschützer eingeführt worden. Die Grünen stellten zudem eine ins Detail gehende parlamentarische Anfrage, die SPÖ kündigte eine solche an.

Zahlreiche Prominente und Organisationen aus dem In- und Ausland bekundeten Solidarität oder äußerten Bedenken gegen das behördliche Vorgehen, u.a. die Literatur-Nobel-preisträgerin Elfriede Jellinek, der Verband der österreichischen Tierschutzvereine amnesty international. (Nachzulesen unter www . vgt.at/ tierschutzgefangene).