Wer sieht es?
Vor einem Monat wurden wieder einmal schwer fassbare Grauslichkeiten in einem niederösterreiichischen Schweinemastbetrieb aufgedeckt – von Tierschützern, nicht vom Amtstierarzt. Siehe “Ein Schweinestall in NÖ”http://www.umsvieh.at/2017/12/20/weihnachtsmenue-einmal-fleischlosss-warum-nicht/ Das ist leider nichts Neues. Manche erinnern sicch wohl noch an den vor zwei Jahren durch geheime Video-Aufzeichnungen aufgedeckte Schlachthofskandal. Dass solche geheime Reeherchen, faktisch die einzige Möglichkeit,Tierquälerei in Tierfabriken aufzudecken, manchen ein Dorn im Auge sind, ist verständlich.Dass aber die neue öst. REgierung dem Beispiel anderer Länder folgen und sie unter Gerichtsstafe stelllen will – wie behauptet wird – ist hoffentlich nur ein Geücht. Oder nicht? Die langjährie Tierschutzforderung zur verpflichtendenVideoüberwachung von Stall- und Schlachtanlagen haben bisher allerdings alle Regierungen ignoriert.Dazu ein vor genau zehn Jahren in der Zeitchrift anima erschienener Artikel, der leider wenigstens was die tiere betrifft, immer noch aktuell ist:
Wer sieht es?
Brötchen und Schweinebraten – Kein Licht ins Dunkel
Geschätzte 50.000 Videokameras richten ihre Augen auf die (rund eine Million) Steirer, davon der größte Teil in Graz, stand kürzlich in einer Zeitung. Der Anteil behördlicher Überwachungsgeräte daran ist bei uns zwar sehr gering, doch in anderen Ländern z.B. England sehr beträchtlich. Alles zum Schutze der Bürger und ihres Eigentums. Auch betriebsintern ist Angestelltenüberwachung zum Schutze der Unternehmensinteressen, wie man so hört, beliebt. Manche Firmen bevorzugen Telefonüberwachung, andere statt technischer menschliche Beobachter, irgendwo versteckt, in Verschlägen oder so. Ein deutscher Kabarettist erfand dazu sogar schon das passende Zeitwort: lidln. Weniger beliebt ist bei Chefs Überwachung zum Schutze derer, die für sie arbeiten. Da hilft nur Einschleichen.
Der in den 1960er und 1970er Jahren durch seine verdeckten Recherchen bekannt gewordene Journalist Günter Walraff schlug vor ein paar Monaten wieder zu und deckte als Arbeiter in einer für den Diskonter Lidl werkenden Brötchenfabrik schwere Mißstände auf. Er sprach von menschenverachtenden Arbeitsbedingungen. Gravierende Sicherheitsmängel sorgten immer wieder für Verbrennungen und andere Verletzungen.
Den Tierschutzvereinen Animal Spirit, RespekTiere und Tier-WeGe war Ende April Fotos und Video aus einer von einem Tierarzt geführten Schweinefabrik (3.000) Tiere im Bezirk St.Pölten-Land, NÖ zugespielt worden. Man sieht darauf sterbende Ferkel, die von ihren Leidensgenossen angefressen werden, schwerst verletzte Tiere, die nicht einmal mehr aufstehen können und dennoch nicht von ihren Leiden erlöst wurden, sowie dazwischen bereits verendete Tiere, die ebenfalls von den anderen ausgeweidet werden. Spontane Demonstration vor dem Betrieb, gemeinsame Besichtigung verwehrt, Amtstierarzt Stunden später erschienen, findet mehr oder weniger nichts außer Überbelag. Tierschützer meinen, belastendes Beweismaterial habe vor dem Eintreffen des Amtstierarztes beseitigt werden können.
Die Beispiele verdeutlichen. Viele Betriebe müssen dank der von unseren Regierungen forcierten Globalisierung unter Konkurrenzdruck von Billigwaren aus fernen oder näheren Ländern produzieren. Aus Ländern ohne den bei uns in mehr als einem Jahrhundert mühsam erkämpften sozialen Schutz. Man braucht nicht viel Hirn, um zu begreifen, daß dieser Druck auch hierzulande legal oder illegal an die Schwächeren, ob Nutzmenschen, ob Nutztiere weitergegeben wird. Und skandalöse Behandlung nicht nur Ausnahme ist. Während unmenschlich behandelte Menschen sich zumindest theoretisch wehren können, können das Tiere nicht.
Da bleiben nur Kontrollen oder Überwachungskameras, wie sie der Tierrechtsphilosoph Kaplan schon vor Jahren vorgeschlagen hat. Leider schwindet wie gesagt die Liebe von Unternehmern zur Überwachung, wenn sie nicht in ihrem Interesse sondern zugunsten Ausgebeuteter eingesetzt werden soll. Da bleibt nur mehr das Einschleichen und das versuchen die Maßgeblichen zu kriminalisieren. Leider geben ihnen Tierfreunde, die aus Zorn über Quälereien kurzsichtig und letzthin dumm zur Gewalt schreiten, ungewollt Argumente. In Amerika, in England, in Finnland gibt es fürs Tierquälerei-Foto-grafieren schon strenge Strafen.
Das Resümee: Kaufen Sie nur Waren, deren Erzeugung, deren Werden man filmen darf. Das ist vorläufig noch nicht verboten.
Erwin Lauppert