Der Weißfisch

Eine Erzählung von Hans Kloepfer. Advent ist oder sollte Zeit der Besinnung sein. Die Geschichte des vor 150 Jahren geborenen weststeirschen Heimatdichters regt in mehrfacher Weise zum Nachdenken an. Einmal über den Weihnachtskarpfen – Weißfische ist eine Sammelbezeichnungt für die verschiedenen karpfenartigen Fische, dii unsere Bäche bevölkern. Ist es in unserer wohlstandsübersättigten Gesellschaft noch zeitgemäß, extra zum Fest der Liebe zu töten? Dann, doch lesen Sie selbst; wir fanden die Geschichte nebst den wiedergegebenen Kommentaren im Jahrgang 2002 der Zeitschrift anima.

Noch ein paar Worte zum Verfasser. Dr. Hans Kloepfer (1867 – 1944) , Sohn eines Landaarztes im kleinem Markt Eibiswald im Südwesten des heutigen Bundeslandes Steiermark, war Zeit seines beruflichen Lebens Werksarzt und praktischer Arzt im kleinbäuerlichen Umfeld  im weststeirischen Kohlenrevier. Er war so unmittelbar Zeuge des schweren Lebens der einfachen Leute, das er in Mundartgedichten und schriftdeutsch einfühlsam beschrieb. . Manche Heutigen kreoden ihm Nähe zum Naziregime an. Im Sprachenhader der alten Monarchie groß geworden, als die Studemntenschaft grob in Nationale  (Deutschnationale) und Klerikale, Katholiche  geteilt werdn konnte, schloss sich Klöepfer dem damals dominierenden nationalen Block an. Er zählte so zu den vielen, die später in einer Zeit wirtschaftlicher Not  irrig meinten, , in Hitler einen Heilsbringer und Retter zu sehen. Da Dichter, gab er dem, schon ein Greis, in Wort und Reim Ausdruck. Eines seiner bekanntesten Gedichte – es spielt im Ersten Weltkrieg, als sich die Völker Europas  unter Hasspropaganda zerfleischten – betiteld “Da Ruß” (Der Russe) ist Zeichen und Mahnung zur Völkerverständigung und llässt auch nicht den geringsten Ansatz zu  Rassewahn  und Herrenmenschenmentalität erkennen. http://www.hans-kloepfer.at/russ.html

D e r    W e i ß f i s c h

Hans  Kloepfer (1867 – 1944)

Auf einmal hatten wir’s unser zwei, drei Buben in den Großferien mit dem Fischen bekommen. Der Strohriegl-Pepi, Sekundaner wie ich und ein gerissener Stadtbub, war als Gast ins Haus gekommen und in ruhelosem Bubendrang bei ländlicher Freiheit rastlos hinter allem her, was sich fangen ließ und Reiz bot. Aber die Trauermäntel über den stillen Waldwiesen, die Schwimmkäfer und Molche im Schloßteich hatten unsere Insektenkästen und Aquarien halb gefüllt. Und so kam er eines Tages vom Krämer mit Angelschnüren und grell lackierten Korkschwimmern zuwege. Tag für Tag schlichen wir zum Schrotzteich durch den Zwetschkenanger beim alten Gerberhause, wo’s so köstlich nach Lohe roch. Standen dann geduldig stundenlang über halbversunkenen Hölzern am rauschenden Wehr, wo über die Schußtafel die Wasser in breit spiegelndem Schwalle fielen und weithin bis ans flache Gestade drüben sich unabsehbar für uns das Reich der Kleinfischwelt dehnte. Fast blind wurden wir von der angestrengten Schau über flimmernden Wellen und taub vom schweren Wassersturz, dessen einiges Rauschen jegliches Geräusch verschlang. Und wenn man einmal tief aufatmend aufsah, schienen sich die Ufer zu drehen und Welt und Himmel standen hoch über uns.

Das hielt uns tagelang gefangen, so sehr, daß wir kaum der Vielfalt wimmelnden Lebens gedachten, die unserem Spiele zum Opfer fiel.

Dann aber setzte mit einemmal Regenwetter ein, eine volle Woche lang. In tosendem Schwalle stürzten die lehmbraunen Fluten übers Wehr. An Fischen war nicht zu denken. Zudem hatte mein Kamerad heimfahren müssen.

Dann waren die Wasser gefallen, die Sonne glänzte auf den nassen Wiesen; aber noch zog der Bach grün und leicht trübe seine Ufer entlang. Weit oben hinterm Eisenhammer waren die Wasser breit gestaut und nur langsam und unmerklich trieben die Weidenblätter auf der stillen Flut. Ich wußte, dort standen unterm überhängenden Ufer die „ganz Großen“, fast unbeweglich, aber scheu und unerreichbar. Nur einmal wollte ichs an ihnen versuchen. So legte ich mich auf den Bauch und spähte behutsam in die trübe Tiefe. Und richtig! Da stand auf doppelte Armeslänge unter mir ein mächtiger Weißfisch, grünbraun am Rücken, und regte in leisem Spiel die rötlichen Flossen. Ich zog ein Heupferd über die Angel und ließ es unendlich vorsichtig an kurzer Schnur dem Alten zutreiben. Gemächlich und kaum beachtet spielte es ums braune Maul, auf einmal schlang er danach. Ein Ruck, ein Riß und schon hatte ich ihn kopfüber weit ans Ufer geschnellt.

Nun lag er schwer schlagend im hohen Grase. In freudigem Schreck überflog ich die breiten Silberschuppen, die ziegelroten Flossen, das weite Maul, das die Angel fast nur am Rande gefangen, so daß er im Schwunge sich unverletzt von ihr gelöst hatte – und konnte auf einmal doch nicht zugreifen!

Kleinlaut und schuldbewußt schaute ich nach meinem Opfer hin, als wäre das Leben selber an mich herangetreten, zum erstenmal, mit all seinen Fragen, den dunklen, die ratlos machen. Und ratlos blickte ich wieder nach dem Stück mächtigen Lebens, das da auf einmal in meine Hand gelegt war.

Im Wehrschlag hatte es wohl die wimmelnde Menge gemacht, die ungesehen uns zur leichten Beute fiel, die sich leicht und hundertfach immer wieder ergänzte. Vor allem auch der Reiz des spielenden Schwimmers, der tauchte und stieg, bis er zur Tiefe fuhr und die Nerven zum Ruck aufriß.

Da aber lag ein Einsamer, ein Großer vor mir. Einen Träumenden hatte ich beschlichen, einen Ruhegestillten, leichthin und unbedacht. So groß und fremd und wieder hilflos glotzte er aus goldumränderten Augen, als hätte ich einen Märchenunhold aus der Tiefe gezogen. Ein Stück der Schöpfung, ein Fertiges, Ehrfurchtgebietendes hatten meine Knabenhände ans grelle Licht des Alltags gerissen, das von nun an seinem Platze fehlen mußte. Nur zögernd spannten sich meine Kinderfinger um die mächtige Muskelmasse. Wie er sich wand, wie die großen Augen stumm und drohend nach mir sahen! „Lausbub!“ wollten sie wohl sagen. Ich war einemmal dem Weinen nahe. Ich hatte ihn ja fangen wollen, gewiß. Aber nun töten: Daran hatte ich nicht gedacht. Und wieder zurückwerfen den seltenen Fang? Das ließ mein Stolz nicht zu, der unbewußt in einem Winkel lauerte. Ich war ratlos.

Fischdiab, Fischdiab!“ klang’s mit einemmal dort drüben vom Gartenzaun her. Spielende Buben hatten wohl meinen Fang bemerkt. Und es achtlos gerufen. Gestohlen also! Daran hatten wir bisher nie gedacht. Etwas Fremdes schlich an mich heran, etwas Unreines, aus dunklen Tiefen, und wollte mich verstricken in eine Schuld, die ich nie gekannt.

Da griff plötzlich eine hagere, haarige Männerhand über mich nach dem schlagenden Fisch. Erschreckt sah ich auf: Das Schicksal, die Strafe! Und hinter mir stand der alte Benefiziat Stephan Hergowitsch, ein Fischer und Jäger von sagenhaftem Rufe, uns Buben bekannt als kurz angebunden und wortkarg und seltsam unheimlich in seiner weltscheuen Abgeschlossenheit. Der aber hatte dem Rotflossigen schon hart aufs Genick geschlagen, zwei, dreimal mit der Zwinge seines herben Stockes. Nun wog er ihn prüfend in der Hand. Zweifelnd sah ich in ein gekniffenes Greisengesicht, über das die braune Haut wie Leder gespannt war.

Mit was hast ködert?“ frug er kurz. Ich zeigte gehorsam die Angel, über die noch ein halber Heuschreck gezogen war. Er schüttelte verächtlich und mißbilligend das kahle Haupt: „Kirschen!“ Der Rat fiel für mich schon ins Leere. Wie mit einem Schlag hatte die nüchterne Sachlichkeit Bann und Sorge gebrochen. Die rächende Gerechtigkeit war zu erlösender Alltäglichkeit geschrumpft. Aufatmend sah ich noch, wie er meine Beute in seine Jagdtasche schob. Er war wohl der Fischaufseher. Und wollte, wortkarg wie er war, an einem kleinen Buben nicht erst viel an Tadel verschwenden.

Ich war allein. Und atmete noch einmal hoch auf. Wie weit war der Himmel! Die Glocken klangen zum Mittag und mit den flitzenden Schwalben flog mein Bubenherz befreit in die unschuldig lachende Welt!

Aus der Sammlung „Erntedank“, Verlag der Alpenland-Buchhandlung (Stocker Verlag), Graz

Zur Erzählung „Der Weißfisch“:

Kinder werden zum Töten programmiert! Woher plötzlich das befreiende Glücksgefühl, das beruhigte Gewissen?

Es war die unbewußte „Ehrfurcht vor dem Leben“, die den kleinen Buben daran hinderte, den Fisch zu erschlagen – ein Erwachsener hat ihn belehrt, wie einfach und selbstverständlich das funktioniert; es geht nicht mehr um einen Mord an einem fühlenden, unwiederholbaren Leben, sondern um den relativ harmlosen Verstoß gegen fremdes Eigentum („Fischdieb“) – die Welt war wieder in Ordnung, das Gewissen rein – in Zukunft würde er keine Tötungshemmungen mehr haben, sei es den Tieren gegenüber bei Jagd und Fischfang, oder auch Menschen gegenüber im Krieg …

Das Ende schockiert, weil beim Lesen der Erzählung alles darauf hinzielt, daß das Kind dem Fisch die Freiheit zurückgibt.

Wir leben in einer Zeit, in welcher der Mißbrauch von Kindern durch Gewalt, Verführung und Verderbnis erschreckenden Umfang angenommen hat. Und dies bezieht sich nicht allein auf sexuellen Mißbrauch, sondern ebenso auf die Desensibilisierung und Abstumpfung des Kindes durch brutale Gewalt – in Videofilmen, Computerspielen usw. – aber, noch grauenvoller, durch Tötungsgewöhnung am „lebenden Objekt“. Wir sind entsetzt beim Anblick johlender Kinder bei Stiermassakern in Spanien – aber wie sieht es bei uns aus?

                                                                                     Christine Beidl

       Kinderfischen -Jugendangel 2001

Einst war das Fischen vor allem für die Bewohner unwirtlicher Küsten lebensnotwendig und an rauhen Meeren häufig auch lebensgefährlich.

Heute ist daraus vielfach Sport geworden, ein tierquälerisches Vergnügen. Bei uns in Österreich und überall auf der Welt. Des Verständnisses wegen: Der Fisch, für unsere Ohren stumm, ist, das hat die Wissenschaft erkannt, leidensfähig. Weniger geschwollen gesagt: gefischt werden tut ihm weh, meist sehr weh. Genau betrachtet ist also, wer das wissend des Spaßes halber Fische fängt, eigentlich ein bißchen ein Sadist.

Selbst der eine oder andere Rechtsradikale, denen man ja gemeiniglich Sinn für Härte nicht abspricht, hat das erkannt. Ein Zitat aus der Hamburger ZEIT vor einigen Jahren, aus einem Interview:

“Was hat Dir denn drt Fisch getan?“

Von solchen Skrupeln ist, entnehmen wir einer Internet-Aussendung der PETA, die Royal Fishing Kinderhilfe nicht geplagt.

Sie plant am 7.Juli 2001 in Heiligenhafen, Schleswig-Holstein einen blutigen Weltrekord. Beim sogenannten „Jugend-angel 2001“ sollen mehr als 500 Kinder und Jugendliche von 12 – 17 Jahren auf 18 Kuttern dem Angelmord nachkommen.

Und mit welchen Schalmeientönen wird für die Mordaktion geworben:

Kinderglück im ganz großen Stil! Mehr als 500 Kinder und Jugendliche können selbst zeigen, wieviel Freude ihnen das Fischen macht. Der Umgang mit der Natur und in der Natur, die Kameradschaft, etwas Geschicklichkeit und eine Portion Glück lassen Kinderaugen strahlen – und Deutschland schaut zu.“

 

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