Für die Tiere ist jeden Tag Treblinka

Jüngst gingen die Wogen hoch in der Schweiz, die Wellen schlugen bis in deutsche Medien. Ein Schweizer Parlamentarier, der Aargauer Nationalrat Jonas Fricker, ein Grüner, hatte im Parlament für eine Initiative der Schweizer Grünen zum verantwortungsvollen Umgang mit Lebens-Mitteln,”Fair Food” benannt, plädiert und in seiner Rede  u.a. gesagt: 

«Als ich das letzte Mal so eine Dokumentation von Transporten von Schweinen gesehen habe, sind mir unweigerlich die Bilder der Massendeportation nach Auschwitz aus dem Film ‹Schindlers Liste› hochgekommen.» Er ergänzte: «Die Menschen, die dort deportiert wurden, die hatten eine kleine Chance zu überleben. Die Schwein, die fahren in den sicheren Tod.» 

Unmittelbare Empöfung im Plenum des Nationarats  war der Tonbandaufzeichnung der Rede nicht zu entnehmen, doch entschuldige sich Fricker von seiner Fraktionsvorsitzenden aufgefordert einige Minuten später in der Versammlung. Später hagelte es in Medien und sozialen Netrzwerken Empörung; Ungeheuerlich, Juden mit Schweinen zu vergleichen, Antisenistismus, Verharmlosung des Holocaust, abstruser Vergleich  (Neue Zürcher Zeitung) usw. Schließlich musste  Fricker, ob von seiner Fraktion gedängt ode freiwillig auf sein Mandat verzichten.

Es wäre wohl verfehlt, wollte man als wahren Grund der Empörung die Befürchtung ansehen, ein solcher Vergleich könnte den Leuten die Lust am Schweinsschnitzel verderben. Die Empörung wird bei vielen echt sein. Der Holocaust ist zu einem -negativen – Heiligtum geworden, so ziemlich zum letzten Tabu unserer Gesellschaft, dessen Verletzung als Sakrileg gilt. Das war nicht immer so und e ist auch nicht ungefährlich.

Isaac Bashevis Singer (1902 -1991), polnich-amerikanischer jiddisch schreibender Schriftsteller, Literatur-Nobelpreis-Träger 1978,  Sohn eines Rabbiners,     konnte noch unbehelligt die Titelworte “Für die Tiere ist jeden Tag Treblinka” schreiben. Der “Fernseh-Zoologe” Prof. Grzimek konnte in den 70er Jahren das wort KZ-Hühner und Hühner-KZ prägen und fand dazu Beifall bei etlichen namhafter ehemaligen KZ-Häftingen. Wenn man Adolf Hitler mit Recht vorwirft, er habe Menschen wie Tiere, wie Vieh behandelt,  ist es nicht verwunderlich, sieht man die einen qualvoll zusammengepfercht an die andere zu denken, ohne sie gleichzuetzen. Übrigens wurde Grzimek für den Vergleich nicht   von der Israelitischen Kultusgemeinde sondern von den Hühnerbaronen angegriffen.  Erst Ende der 80er Jahre, als eine KZ-ferne Generation herangewachsen war, änderte sich die Snschaungsweise.

Gefährlich: Die Überhöhung des Holocaust, des Judenmords, als das einmalige Verbrechen Hitlers lässt das ganze Ausmaß der Ungeheuerlichkeit Hitlers vergessen. Hitler hat nicht nur sechs Millionen Juden auf dem Gewissen, er ist für den Tod von vierzig Millionen Menschen hauptverantwortlich,  mag dazu auch manch anderer Machthaber  beigetragen haben. Das Schicksal einer zu Tode deportierten russischen Bäuerin ist nicht weniger tragisch als das eines mittels Gas ermordeten Juden, Verhungern tut einem russischen Kriegsgefangenennicht wenie weh als einem deutschen, polnischen oder ungarischen Juden.

Richtet man die Scheinwerfer  auf eine wenn auch immense  Untat, verschwinden die anderen im Dunkel. Wer weiß heute noch vom ersten Volkermord deutscher Machthaber  im 20. Jahrhundert – mag August Bebel auch noch so laut gerufen haben – dem an den Herero. Qualitativ war er  schreclicher als die andeen, fielen im doch achtzig bis neunzig Prozent des Volkes zum Opfer. Quantitativ waren es die Völker der Sowjetunion, die zahlenmäßig am meisten gelitten haben, mehr als zwanzig Millionen mussten sterben. Das wird heute meist vergessen.

Gefährlich ist einseitige Beleuchtung besonders für die Gegenwart. Auch die Zeit, in der wir Heutigen leben, ist voller Schrecknisse, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, “kleinerer” Völkermorde. Die Fokusierung auf ein vor einem Dreivierteljahrhundert  begangenes Verbrechen lässt allzuleicht die Grauslichkeiten der Jetztzeit verblassen. Schade, denn gegen die könnten wir, anders als gegen Untaten vergangener Zeiten, wenigsens manchmal etwas tun.

Wir haben den nachstehenden vor vierzehn Jahren in der Zeitschrift anima erschienen Artikel “Tätervölker” ausgekramt, weil er uns nach wie vor aktuell erscheint. Er setzt sich aus Anlass der damaligen Peta-Kampagne “Der Holocaust auf deinem Teller” mit unserem Thema näher auseinander.                                                                                                                            E.L.

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ie Gefahren einseitiger Beleuchtung betreffen vor allem ah Über