Noch zum Veggie -Tag

Zum Bericht vom 7. September “Gib uns unser tägliches Fleisch?” noch ein Rückblick: 2 kurze Artikel aus den Jahren 2013 und 2010 (entnommen der Zeitschrift anima).

 Gib uns unser tägliches Brot! Oder unser tägliches Fleisch?  (aus anims Nr 3/2013)

Auf Seite 164 des im April beschlossenen Wahlprogramms der deutschen Grünen für die heurige Bundestagswahl steht:

Unsere Konsumentscheidungen prägen die Welt. Das zeigt sich besonders beim Thema Fleischkonsum. Pro Kopf und Jahr essen wir Deutsche rund 60 Kilo Fleisch. Dieser hohe Fleischverbrauch birgt nicht nur gesundheitliche Risiken. Er erzwingt auch eine Massentierhaltung, die auf Mensch, Tiere und Umwelt keine Rücksicht nimmt. Deshalb fordern wir mehr Verbraucheraufklärung zu den gesundheitlichen, sozialen und ökologischen Folgen des Fleischkonsums. Öffentliche Kantinen sollen Vorreiterfunktionen übernehmen. Angebote von vegetarischen und veganen Gerichten und ein „Veggie Day“ sollen zum Standard werden. Wir wollen ein Label für vegetarische und vegane Produkte.“

Das war nicht neu. So hatte es die Partei schon ein paar Jahre zuvor festgelegt. Unbeachtet schlief der Text im 320 Seiten dicken Wahlprogramm bis Anfang August,

Veggie Day, fleischloser Tag:

Empörung beim Boulevard

als ein Redakteur des Massenblattes „Bild-Zeitung“ dringend einen die Volkseele aufwühlenden Aufmacher suchte und abseits der Wahrheit titelte: „Die Grünen wollen uns das Fleisch verbieten“. Da war dann der Teufel los. Die CDU griff das Thema auf, vergaß, das namhafte Politiker ihrer Partei selbst „weniger Fleisch“ gepredigt hatten, und vor allem die FDP zog aus, das Menschenrecht auf unentwegten Fleischgenuss zu schützen, „Mein Bauch gehört mir“. In Internetforen tobte der Volkszorn, besonnene Medienkommentare blieben in der Minderzahl. Bild berichtete eifrig: „So lacht

Deutschland über die Gaga-Idee der Grünen“. Die Wahlen verliefen nicht gut für die deutschen Grünen – unsere grüne Frau Glawischnig, selbst lange Jahre Vegetarierin gewesen, hatte sich rasch distanziert von der deutschen Idee.

Ein Gutes hatte das Ganze. Das vor allem von Vegetarier-Organisationen und Klimabesorgten propagierte Veggie Day-Projekt „ein fleischloser Tag in der Woche“ siechte bisher mehr oder minder dahin. Jetzt kennt es wenigstens in Deutschland fast jeder. Neuen Ideen geht es häufig so: Zuerst ein emotionaler Aufschrei: „Das darf es doch nicht geben“, dann wenn sich die Gefühlswogen legen, ruhiges Nachdenken und die Erkenntnis: Das ist ja eigentlich eine vernünftige Idee. Seit Jahren fordern kompetente Wissenschaftler Minderung des Fleischkonsums, aus gesundheitlichen, ökonomischen, ökologischen Gründen. Die Viehwirtschaft ist in hohem Maße am Klimawandel mitbeteiligt. Es braucht halt Zeit, bis wissenschaftliche Erkenntnisse Allgemeingut werden.

Nebenbei, ein fleischloser Tag ist nichts Neues (in der anima Nr.3/2010 haben wir uns mit dem Thema ausführlicher befasst). Aus Armut gab es in vielen Familien sechs fleischlose Tage in der Woche; Fleischabstinenz am Freitag war bis vor einigen Jahrzehnten Christenpflicht, wenigstens im katholischen und orthodoxen Bereich, allerdings teils pervertiert zum Fischkonsum. In Speisekarten vieler unserer Restaurants und Kantinen wirkt das bis heute nach.

Lassen wir uns nicht entmutigen, schließlich wird Vernunft siegen.Weiter voller Einsatz für den Veggie Day!

 

Vom fleischfreien Freitag zum fleischfreien Donnerstag?

(Aus anima Nr.3(20110)

Für eine bessere Welt müssen wir alle etwas an unserem Lebensstil ändern, und zwar jetzt“, so Sir McCartney. „Nur einen Tag in der Woche fleischfrei zu gestalten, ist ein kleiner Schritt, der eine große Wirkung entfalten kann,“ sagt der weltberühmte Musiker und Vegetarier. Seine „Meat Free Monday“-Initiative (fleischfreier Montag) zeigt erste Erfolge:

Der Stadtrat (Board of Supervisors) von San Francisko stimmte im April einer Resolution zu, die den Montag als »Vegetarian Day« bezeichnet, und über den Restaurants, Supermärkte und Schulen aufgefordert werden, ihr vegetarisches Angebot deutlich auszuweiten, ähnlich im Juli der Stadtrat von Washington DC.

Fleischfreier Donnerstag sagen dagegen Tieretliche Vegetarier/Tierrechtsgruppen n Europa. Im April 2009 war Gent in Belgien die erste Stadt, die ihn einführte. Als erstes deutsches Gemeinwesen ist im Februar 2010 Bremen gefolgt. In Schwerin hat sich die Oberbürgermeisterin für den Freitag entschieden; in der städtischen Kantine gibt es da nur fleischfreie Menüs, eines davon allerdings mit Fisch. Eine programmatische Erklärung einer Gemeinde wird noch nicht allzu viel bewirken. Aber wenn etwa das städtische Altenheim einen solchen Tag einführt, werden sich privat Heime leichter tun zu folgen.

Mit etlichen weiteren Städten, Unternehmen führen die Initiatoren aus Tierschutz und Vegetarismus Gespräche, doch sind sie diesbezüglich wegen des zu befürchtenden Sperrfeuers am Fleisch interessierter Verbände noch nicht in die Öffentlichkeit getreten.

In einigen kirchlichen Kreisen, katholischen und auch evangelischen will man die Tradition der Fleischabstinenz am Freitag wieder beleben. Auch ein Südtiroler Grüner setzt sich dafür ein.

Ältere mögen ob der Meldungen etwas wehmütig werden. War doch früher in katholischen Ländern der Freitag, aber darüber hinaus allgemein ein oder gar mehrere fleischfreie Wochentage selbstverständlich. Auch in religionsfernen Familien. Der frühere Profil-Herausgeber und bekannte Journalist Peter Michael Lingens erzählt, im reichen großbürgerlichen Hause seiner Großmutter in Wien habe es Fleisch grundsätzlich nur zweimal die Woche gegeben, und auch das beileibe nicht zum Sattessen, dafür gab es Gemüse. Aber auch nicht zuviel. Ein voller Magen hätte als Völlerei gegolten. Auch Atheisten steckte christliche Tugendlehre noch in den Knochen.

Die christlichen Fasten- und Fleischabstinenzgebote und -bräuche waren natürlich nicht tierschützerisch motiviert sondern Ausdruck der Buße. In evangelischen Ländern sind sie nach der Reformation weit gehend abgekommen, Martin Luther war kein Freund verordneter Bußtage. Im orthodoxen und katholischen Bereich waren sie bis vor wenigen Jahrzehnten noch sehr lebendig, selbst heute noch bieten viele Restaurants gerade am Freitag fleischfreie Speisen. Immerhin ist es geltendes röm.kath. Recht: Canon 1251: Abstinenz von Fleischspeisen oder von einer anderen Speise entsprechend den Vorschriften der Bischofskonferenz ist zu halten an allen Freitagen des Jahres … , allerdings durch die zitierte Befugnis regionaler Instanzen verwässert. In der evangelischen Kirche in Deutschland bemerkenswert ist die Fasteninitiative «Sieben Wochen ohne» in der Passionszeit, um aus gewohnten Konsum- und Verhaltensweisen auszusteigen und neue Lebensziele zu finden.

Es lässt sich darüber diskutieren: Wäre es zweckfördernder statt des Donnerstags den Freitag vorzuziehen, der für Abstinenz bereits beackert ist. Immerhin hatten auch die frühen Christen ihre Feiertage auf „heidnische“ Festtage gelegt und alte Heiligtümer in christliche Kirchen gewandelt.

Ob Montag, Donnerstag, Freitag: die Zeichen für einen fleischfreien Wochentag stehen günstig. Das weltanschauungswertfreie Argument der Klimabelastung ist nicht zu widerlegen, auch vielen Fleischfreunden hängt „täglich Fleisch“ zum Hals heraus. Die Grünen-Chefin Glawischnig: Meine langjährige Fleischaskese hatte keine ideologischen Gründe, sondern lag an meiner familiären Gasthaus-Vergangenheit. Jahrelang von Montag bis Sonntag gebackenes Fleisch war irgendwann nicht mehr erträglich. Wenn ich einmal in einer Disco war, haben sich die Leute umgedreht und gesagt: Mmh, da riecht’s nach Schnitzel.

Die Widerstände sind also überwindbar. Wenn möglichst viele von uns daran arbeiten, wo immer sie ein wenig Einfluss nehmen können, wird es weiter gehen.

E.L.