Zum Nachruf DDr.Balluchs auf die anima

DDr. Martin Balluch, Obmann des österr. Vereins gegen Tierfabriken, hat in seinem Blog martinballuch.com einen kritischen Nachruf verfassst (siehe ganz unten). Hiezu eine ebenfalls kritische Stellungnahme aus der anima-Redaktion:

“Lieber Herr Balluch, ich muss Ihnen noch für den gütigen Nachruf auf die anima danken – ich erhielt erst kürzlich Kenntnis – und darf dazu auf ein paar Missverständnisse hinweisen. Anscheinend war es im Blatt nicht hinreichend gelungen, unsere Intentionen zu verdeutlichen.

Der Vorwurf, die anima habe den Veganismus schlecht machen wollen, ist eine krasse Fehlinterpretation. Von Anbeginn an wurde in der Zeitschrift auch diese strenge Form des Vegetarismus, für die sich die Bezeichnung vegan eingebürgert hat, betont und kein Zweifel gelassen, dass der Verzicht auf tierische Produkte Endziel ist. Vielleicht wurden unser entschiedenes Eintreten gegen jene Gruppen von Veganern, die sich darauf konzentrieren, den gemäßigten Vegetarismus/lacto-ovo oder lacto/ schlecht zu machen („Vegetarier sind Mörder“) missverstanden..

Unser Ziel war nicht ein Orden von Edelmenschen (so schön das sein mag), Ziel war und ist es Tierleid und -tod zu mindern. Ein Fleischesser, der Lactovegetarier wird, reduziert die Schlachtung warmblütiger Tiere um mehr als 99 Prozent, der Übertritt von laktovegetarisch zu vegan bringt gerade etwa ein halbes Prozent. Wir haben daher dafür plädiert, sich vorerst vor allem darauf zu konzentrieren, Fleischesser zum Fleischverzicht zu bewegen, statt Vegetarier zum Milchverzicht. Dass mag platter Utilitarismus sein, doch er erspart einen Haufen Tieren leidvolles Leben und Sterben.

Vergleicht man das Ziel „tieropferfreie Ernährung“ mit einem 5.000 m hohen Berggipfel, kommen Veganer, was warmblütige Tiere betrifft, auf etwa 4.500 Meter. Die letzten 500 m bleiben ihnen verwehrt, weil auch die Pflanzenproduktion Tieropfer kostet, leider. Das wurde mir abgesehen von der australischen Debatte, durch mein Enkerl verdeutlicht. Der Knabe wollte den Spinat nicht essen. – Warum? – Es graust mir.– ? – „Meine Biologielehrerin hai als Studentin in einer Tiefkühlfabrik gearbeitet. Dort musste sie die toten Mäuse aus dem Spinat klauben.“

Wenn ein Veganer auf seinen zB 4.563 m dem Laktovegetarier, der 4.538 m erklommen hat, sagt: Schön, dass du so weit gekommen bist, versuch doch noch die paar Meter zu mir hinauf, ist das hilfreich; schimpft er Laktovegetarier aber Mörder, wird er sie kaum zu Veganern machen; er wird sie damit eher zurück zu den Fleischtöpfen treiben.

Nun noch das Dilemma Milchverzicht in einer Fleisch essenden Gesellschaft und die Folgen: weniger Rinder, mehr Schweine- und Hühnertötung. Es ist richtig, die anima hat diese Tatsache genannt, aus der Tatsache Schlussfolgerungen zu ziehen, bleibt jedem für sich überlassen. Die Tatsache gefällt uns auch nicht, wir halten jedoch nichts davon, sie der Ideologie halber zu verheimlichen.

Ihre Annahme, es gäbe hierzulande kaum mehr Zweinutzungsrinder ist falsch, die vom VgT dankenswert dokumentierten schmerzlichen Kälbertransporte in den Süden sind kein Gegenbeweis. Mehr als 80 % der Rinder in Österreich sind Fleckvieh. Die Schlachtstatistik: rund 300.000 Stiere und Ochsen und rund 300.000 Kalbinnen und Kühe jährlich. Für den Südtransport bleiben leider immer noch rund 80.000 Kälber.

Ich halte nichts davon, Tierleid in Kilogramm zu messen. Ein 100-kg- Schwein, ein 2-kg Huhn hat genau so Anspruch auf Schutz wie eine 600-kg-Kuh.

Die anima hat auf dieses Dilemma erstmals vor drei Jahren hingewiesen. Ich muss gestehen, ich hatte dieses Problem lange verschlafen. Es wurde mir erst in Gesprächen mit der Bauernkammer bewusst, als wir diese bewegen wollten, eine tiergerechtere Milchsorte auf den Markt zu bringen. Unser Wunsch; Schlachtung in Hofnähe stieß auf heftigen Protest: Dann wären Milchkühe nicht mehr zum Verzehr zugelassen und sie seien doch bestes Fleisch.

 

Es wäre schön, würden sich mehr Tierschutzvereine darum bemühen, tierfreujndlich gesinnten Konsumenten Milch aus rindergerechterer Produktion anzubieten. Für finanziell potentere Vereine wäre es kein Problem, ein Projekt Milch aus muttergebundener Kälberhaltung zu initiieren; so wie wir und die KT es vor dreißig Jahren mit dem Freilandei taten.

In dem Zusammenhang: Als ich vor einem Vierteljahr wieder einmal bei der Kontrollstelle in Bruck rückfragte, ob endlich festgelegt sei, was fürs Label „tierschutzgeprüft“ bei Milch kontrolliert werde (Haltungsbedingungen), erhielt ich immer noch keine positive Antwort. Ich hoffe, dass die Kriterien in der Zwischenzeit bestimmt sind. Jmmerhin trägt „Zurück zum Ursprung“ seit eineinhalb Jahren den Vermerrk.

Noch kurz zu Stierkampf und Jagd:

Der in der letzten anima erschienene vor einem Vierteljahrhundert geschriebene Artikel wurde in Ihrem Nachruf leider unzureichend wiedergegeben; deshalb hier seine Kernsätze:

Damit keine Mißver­ständnisse entstehen. Ge­gen den Stierkampf im fernen Spanien zu prote­stieren, ist nicht bloß ein guter alter Tier­schützerbrauch, es ist notwendig. Nur sollten wir darüber vor den Mißständen im eigenen Land nicht die Augen verschließen. Un­sere Hauptaufgabe bleibt es, vor der eigenen Tür zu kehren.“

Das war sinngemäß auch die Einstellung der anima zur Jagd. Gegen die Jagd zu demonstrieren, beschränkt die eigene Lebensweise nicht. Auch wenn kein Wild mehr geschossen wird, im Supemarkt gibt es nach wie vor Aktionsfleisch um 3,99 €.

Im Zusammenleben von Mensch und Wildtieren sind die Probleme natürlich vielfältiger und schwieriger zu lösen -– das Thema erschöpfend zu behandeln würde zu weit führen. Im Kern gilt m.M. aber auch hier. Das tieschützerische Hauptproblem ist nicht die Lust auf Jagd sondern die Lust auf Wurstsemmel und Schnitzel.

Unsere Sorge: Emotionaler Kampfgeist fürs Tierwohl ist bei den meisten Menschen beschränkt. Wird er zu sehr für die Jagdbekämpfung strapaziert, bleibt für die quantitativ und qualitativ brennendsten Missstände keine Kraft mehr.

Nebenbei:,Die anima hat es immer für richtig und wichtig gehalten, gegen die Jagd als Vergnügen mit ihren atavistischen Bräuchen und schändlichen Auswüchsen wie etwa das Aussetzen von Fasanen in und außerhalb von Gattern anzukämpfen.

Zur Beurteilung, ob die Konzentration des Kampfarsenals auf den Lainzer Tiergarten und Gatterhagden generell sinnvoll ist, fehlt es mir an Sachkenntnis. Umfriedete Jagdgebiete haben für Wildtiere auch Vorteile, sie schützen vor Tod im Straßenverkehr und vor den nicht wenigen wildernden Hunden.

Im Jagdgebiet, in dem meine Keusche liegt, fallen beispiesweise mehr Rehe dem Straßenverkehr zum Opfer als den der Jagd, so der dortige Jäger – ich musste ihn kontaktieren, weil der Nachvarhund einen Bock zerfleischt hatte.

Der Vorwurf, die anima sei gegen Kanpagnen und Demonstrationen gewesen, ist so auch unzutreffend. Wir meinten allerdings: Nach zwanzig Jahren vergeblicher Demonstation etwa gegen den Jägerball wäre es Zeit nach Wirkungsvollerem zu suchen. Demonstr0ationen sollten nicht der Selbstbefriedigung dienen, gelegentlich evaluiert werden, geprüft ob sie Menschen gewinnen oder vergrämen.

Zum Tierschützerprozess: Kaum eine andere Tierschutzzeitung hat hier so entschieden die Justiz kritisiert. Dennoch haben Sie recht, Ein paar Monate vor der Verhaftungsaktion habe ich bei einer VgT-Veranstaltung in Wien zu bedenken gegeben: Das Staatsschiff ist ein träges Fahrzeug; dass es nicht rasch reagiert, sollte nicht zu Leichtsinn verleiten, Die Mächtigen lassen, sobald ein Gegner aus der Sphäre völliger Bedeutungslosigkeit heraustritt, früher oder später ihre Mittel spielen. Es ist daher wichtig, sich keine Blöße zu geben. Ich erinnere an den Grazer Webpelzmodenschau-Prozess. Es lässt sich auch vermuten, dass ein hochgestellter Politiker keine Freude hat, wenn sein Büro besetzt wird, und ….

In ihrer 31jährigen Geschichte hat die anima sich immer wieder mit dem Thema Gewalt auseinander setzen müssen. Es ist verständlich, dass namentlich Jugendliche in gerechter Empörung über den alltäglichen grässlichen Terror gegen Tiere ihrerseits auf Gewalt setzen. Es ist richtig, wir haben immer gesagt, dies wäre der falsche Weg. Der Glaube, eine kleine inderheit könne die Mächtigen durch Gewaltakte in die Knie zwingen, ist absurd. Ein solcher Weg schadet letzhin den Tieren und führt geradewegs zum Polizeistaat.

Die anima hat auf Überzeugungsarbeit gesetzt, auf – allerdings organisierte – Konsumentenmacht, dafür plädiert, den Marlt durch tierfreundlichere Angebote aufzulockern und so Verbrauchern den Umstieg zu erleichtern.

 

Zum Abschluss:unbeschadet aller Meinungsunterschiede: Danke für den Nachruf und viel Erfolg mit ihrer Arbeit..

Erwin Lauppert, anima-Redaktion

Und hier der Nachruf Balluchs:

ANIMA. ZEITSCHRIFT FÜR TIERRECHTE“ NACH 31 JAHREN EINGESTELLT

Sie blieb immer in kleinem Rahmen, mit bescheidenem Layout, ohne Kaufpreis, die Anima, Zeitschrift für Tierrechte. Doch sie hatte einen treuen Leserstamm. So auch mich. Gegründet wurde sie in Graz 1985, wo sie nach einem sehr kurzen Zwischenspiel in Wien bis zuletzt blieb. 31 Jahre lang, kein schlechtes Alter für eine Zeitung im Internetzeitalter. Mit der Ausgabe 32. Jahrgang Nr. 1 vom Frühjahr 2016 wurde sie nun eingestellt, wie ihr Chefredakteur Erwin Lauppert bekannt gibt.

Ich lese sie erst seit 20 Jahren und kann mir daher kein Bild von ihr vor dieser Zeit machen. Ich habe aber mit Chefredakteur Lauppert sowohl im Juli 2014 (http://cba.fro.at/265618) als auch im November 2007 (http://cba.fro.at/8281) Interviews geführt. Wir waren in Vielem nicht derselben Meinung, aber durch die konstruktive Auseinandersetzung ohne Denunziation wird eine Bewegung erst lebendig.

Da ist z.B. das ewig wiederholte Mantra der Anima, dass es utilitaristisch gesehen schlecht sei, vegan zu leben, weil dadurch weniger Milchkühe gehalten werden und deshalb weniger Rindfleisch produziert würde und so mehr Schweine und Hühner als Rinder gegessen würden. Und das sei schlecht, weil Rinder tendenziell besser gehalten würden und vor allem größer seien, sodass dieselbe Menge Fleisch nur weniger Tiere betreffe. Naja, das Argument ist schwach, sehr schwach. Erstens haben wir seit Jahrzehnten kaum noch Zweitnutzungsrinder, sonst würde man nicht die männlichen Milchkälber, wie wir dokumentiert haben, in großer Zahl ununterbrochen für Peanuts in den Süden schicken. Und zweitens steht nicht die Tiergröße, sondern ihre Nutzung per se im Vordergrund. Die Aussage, es sei verwerflicher Hühner als Rinder zu essen, weil sie kleiner sind, setzt einen platten Utilitarismus voraus, den ich nicht teile. Und zuletzt ist es nicht richtig, dass Mastrinder oder auch Kälber dauerangebundener Milchkühe besser gehalten würden als Schweine. Sie stehen letztlich genauso auf Vollspaltenböden ohne Stroheinstreu im dichten Gedränge herum. Utilitaristisch gesehen ist das sogar schlechter, weil sie im Schnitt gut 3 x solange leben wie Schweine und daher 3 x so lange leiden. Nicht, dass ich diese Art der Leidensrechnung vertreten würde.

Die Anima hat auch ständig unsere Jagdkampagnen kritisiert, und zwar wieder utilitaristisch, weil die bejagten Tiere ja im Freiland gelebt hätten und daher Kritik an der Jagd wie Kritik an der Freilandhaltung zu sehen sei. Auch das empfinde ich als falsch. Die Jagd ist eine Nutzungsform von Tieren und hat ihre eigenen grotesken Auswüchse, wie die Gatterjagd oder die Massentierhaltung von Zuchtfasanen, die entsprechend kritisiert werden müssen. Es geht nicht darum, wieviele Tiere wieviel leiden, sondern darum, auf allen Ebenen den Umgang mit Tieren zu hinterfragen und gewaltfreiere Lösungen zu finden und Verbote zu erreichen, wo es bereits Mehrheiten dafür gibt. Auch in der letzten Ausgabe der Anima steht wieder, dass es besser wäre, ein spanischer Kampfstier zu sein, als ein österreichischer Maststier und wir deshalb nicht gegen den Stierkampf, sondern gegen die Maststierhaltung vorgehen sollten. Nein, sehe ich nicht so. Es macht einen wesentlichen Unterschied, warum jemand ein Tier misshandelt. Ist es, wie im Stierkampf und der Gatterjagd, nur zum Spaß – auch wenn in beiden Fällen die Opfer danach manchmal gegessen werden – dann ist es politisch gesehen prioritär, diese Auswüchse abzustellen. Eine Gesellschaft kann nicht Tierschutz in der Verfassung stehen haben und gleichzeitig zulassen, dass Tiere aus Jux und Tollerei leiden müssen. Das widerspricht der Würde der Tiere so grundlegend, dass das der erste Schritt im Tierschutz sein muss.

Aber die Anima hat auch unseren Kampagnenstil kritisiert. Unsere Demos wären zu laut und emotional, unsere Jagdbeobachtungen würden die Jägerschaft unnötig provozieren. Ein bisschen, auch wenn nicht explizit ausgesprochen, schienen wir selbst am Tierschutzprozess schuld zu sein. Stattdessen hätten wir ausschließlich auf die Macht der KonsumentInnen setzen sollen. Wenn die nicht mitmachen, dann ändere sich, so der Plan, der Umgang mit den Tieren von selbst. Ja und nein. Ja, über Bewusstseinsbildung bei KonsumentInnen konnten wir pflanzliche Alternativen oder auch Eier aus besserer Legehennenhaltung am Markt positionieren, und damit Pionierarbeit für die Zukunft leisten. Aber nein, ohne Gesetze, die nur durch öffentlichen Druck gegen die Wirtschaftsinteressen zustande kommen, geht gar nichts. Und da kommt man geradewegs in Konflikt mit den Mächtigen im Staat, daran führt kein Weg vorbei.

Also, die Anima hat die Arbeit des VGT regelmäßig kritisiert. Aber deshalb habe ich sie dennoch geschätzt. Die Kritik blieb immer respektvoll und sachlich. Und, wie gesagt, Meinungsvielfalt ist der Schlüssel zu einer Massenbewegung, die die gesamte Gesellschaft erfasst. Vieles, was in der Anima stand, hatte auch Hand und Fuß, das möchte ich nicht schlechtreden. Oftmals fanden sich historisch interessante Ausführungen oder Belletristisches über Tierleid aus der Weltliteratur. Ich finde es daher sehr traurig, dass dieses Kapitel nun abgeschlossen und die Anima eingestellt werden soll. Schade, dass niemand einer jüngeren Generation bereit war, das Licht ein Stück weiter zu tragen.