Fritzl im Schlaraffenland

Unwetter bringen manchmal auch Gutes, wenigstens für den einen oder  anderen. Da gibt es nächst Mautern, einem kleinen Ort im obersteirischen Bergland, einen Tierpark. Dort leben an die dreihundert Wildtiere, oder müssen es – wir wollen hier nich über Sinn und ethische Vertretbarkeit derartiger Anlagen debattieren auch einige Grauwölfe. Die hatten gerade Zuzug bekommen, einen einjährigen Gesellen aus Bayern. Da kam das Unwetter und unterwusch die Platten, die den Gehegezaun entlang verlegt waren, um das Untergraben zu verhindern. Fritzl, so nannte man den Neuankömmling, nutzte die Gelegenheit und wühlte sich in die Freiheit.

Er wanderte hinaus in die weite  Welt. Als er sechzig Kilometer weiter in ein kleines Seitental nahe Knitterfeld kam, schlug sein Herz höher. Er hatte die Freilandgehege von Toni Hubmann, dem führenden Freilandei-Vermarkter Österreichs entdeckt. Was sah er da auf den Wiesen, Hühner über Hühner, braune und weiße. Die weißen schmeckten besser, sie waren fetter. Kein Wunder, die  braunen waren bloß Legehennen, die weißen Junghähne einer Zweinutzungsrasse, deren traurige Bestimmung es war, zu Brathähnchen herangemästet zu werden. Fünf aß er täglich mindestens.

Dieser Appetit blieb nicht lange verborgen. Man stellte Fallen auf, wohl adaptiert mit Rindfleisch, vergeblich. Der Wolf bevorzugte Hühner. Rund vierWochen brauchte es, bis ein Narkosepfeil endlich sein Ziel traf, und der Ausreißer kam als Gefangener zurück in den Tierpark. Immerhin, der Ausflug ins Schlaffenland hatte ihm zehn kg Gewichtszunahme gebracht.

Leider hat alles zwei Seiten. Was für Fritzl ein Quell der Freude war,den Hühnern war es Schrecken und Verderben. Solche todbringenden Erlebnise prägen sich ihnen tief ein. Da war ein Marder in einen Hühnerstall eingedunge und hatte im linken Teil des Quartiers ein kleines Massaker veranstaltet. Die Übriggebliebenen mieden lange diese Seite des Stalls und drängten sich nächtens auf der anderen zusamnen.

Fritzl hat bestätigt, was kaum überraschen wird. Auch Wildtiere suchen ihr Futter am liebsten dort, wo es mit geringster Mühe erhältlich ist. Statt mühsam nach Rehen zu jagen, Kitze aufzuspüren, nach Mäusen zu graben oder sich gar mit Schwarzbeeren zu begnügen, nehmen sie lieber am vom Menschen reich gedeckten Tisch Platz, d.h. greifen bei den so genanten Nutztieren im Freiland zu.

Menschen verteilen Gunst und Missgunst gegenüber Tieren wählerisch. Für Ratten und Mäuse beispielsweise engagieren sich nur wenige, auch unter den Tierschützern; wiewohl die gesetzlich vorgegebenen Tötungsmethoden da ziemlich unmenschlich sind.

Dem Wolf dagegen schlägt heute viel Sympathie entgegen – anders als einst, da ihn die vorwiegend ländliche Bevölkerung nicht ohne Grund als Bedrohung sah. Die Menschen leben jetzt meist fernab sicher in den Städten und opfern dem Graupelz gern hunderte „Nutztiere“. Die sind nach Meinung der meisten ohnedies nur mindere Tiere, zum Schlachten und Essen brestimmt.Und den Schaden haben ja nicht sie, nur ein paar Bauern weit weg. Interessant, dass auch viele Tierschützer Tierleben so unterschiedlich werten.

Die Bauern haben die einst selbstverständliche Freilandhaltung nicht deshalb aufgegeben, weil sie Sadisten sind und gern Tiere quälen, sondern weil die Haltung in Massenställen billiger ist und die Mehrheit der Konsumenten auf möglichst billige tierische Produkte steht. Die Almwirtschaft etwa geht immer mehr zurück, weil sie sich immer weniger rechnet. Die 200 Hühner wird der Großbauer Toni Hubmann verschmerzen können – doch der jüngste Strafprozess zeigt, dass tiergerechte Produktion selbst für einen Großen kein Honiglecken ist. Hält der Wölfskult an, streifen immer mehr Wölfe durchs Land, werden die Schäden immer größer, die Schutzmaßnahmen immer aufwendiger, ist zu befürchten, dass auch die Bauern, die noch auf artgerechte Freilandhaltung achten, die Segel streichen, nur mehr auf quälerische Massenställe setzen, –zum Schaden der Tiere.

Natürlich wären die Probleme gelöst, wurden alle Menschen Veganer. Leider tun sie es nicht. So bleibt dieses Argument müßig.

Erwin Lauppert

Aufgelesen

Wolf und Schafe

Ein Wolf jatte in der Schweiz 40 Schafe gerissen. Er kam dann nach Vorarlberg, , wo er im August im Klostertal nochmals 23 Schafe riss. „Als der Hirte nach seinen Schafen gesucht hatte, bot sich ihm ein wahres Blutbad: „Meine Tiere liefen mit offenen Wunden an den Hälsen, Beinen und Bäuchen herum. Sie haben sehr gelitten, wir mussten die verletzten Schafe töten. Sie lagen mir am Herzen, es tat sehr weh!“

Zeitung Österreich, 23.8., 10.9.2015

(aus anima Nr.3/2015)