Yvonne mal sechs

Was Medien verschweigen
Erinnern Sie sich noch an Yvonne, die vor bald drei Jahren aus Kärnten nach Bayern verkaufte Kuh? Die sich selbstständig machte und monatelang nicht gefunden wurde. Welch eine Aufregung, in den Medien durch viele Wochen, weit über Bayern hinaus. Dabei, nüchtern betrachtet, alle paar Wochen geht irgendwo ein Rindvieh durch und wird früher oder später eingefangen, wenn nicht irgend ein Hysteriker keine Geduld aufbringt und es erschießt. Yvonne machte sich im Sommer selbständig, da wächst genug Gras; niemand brauchte Sorge zu haben, sie könnte verhungern.

Vor zwei Monaten gingen einem Bauern etwa zwanzig Kilometer nördlich von Graz in nicht sonderlich dicht besiedeltem Bergland, vierzehn Jungrinder durch, ein Jahr alt, aus Mutterkuhhaltung in einem Kaltluft-Laufstall – ein Gatter war versehentlich offen geblieben.  Sieben konnten nach ein paar Tagen wieder eingefangen werden, eines verunglückte tödlich, doch sechs blieben verschollen, zwei, drei Wochen lang. Eine Gratiszeitung hatte eine kurze Meldunge gebracht, doch sonst blieb es still  im Blätterwald, nichts. Keine Zeitung war interessiert. Dabei war es Jänner, kalt, kein Gras wuchs, Sorge wäre angebracht gewesen. Kälte halten  Rinder aus, doch essen müssen sie, eine prekäre, ernste Situation. Die Sache
ging dann, wie wir von der örtlichen Feuerwehr erfuhren, gut aus. Die Tiere konnten schließlich lokalisiert und mit Futter versorgt,  wenn auch vorerst nicht eingefangen werden –  Rinder nehme rasch das Gebaren von Wildtieren an.

Doch es bleibt die Frage, nach welchen Gesichtspunkten wird das Publikum informiert? Ein anderer Fall – wir berichteten – eine Kirche wird in Brand gesteckt. Das kommt in Mitteleuropa selten vor – doch Zeitungen schweigen eisern.  Oder: Viel Empörung in den Medien – Pussy Riot-Aktivistinnen wurden in Russland verfolgt. Berichterstattung gut und richtig. Andererseits: Nur eine kurze eher humoristisch gehaltene Meldung: Fast drei Jahre Haft für eine 84jährige Nonne in den USA, weil sie aus Protest in eine Atomanlage eingedrungen war. Oder: Gerade vier Zeilen – Beppe Grillo, Chef der zweitgrößten Partei in Italien zu vier Monaten verurteilt: Das Delikt: unbefugtes Betreten der umstrittenen Hochgechwindigkeitstrasse Turin-Lyon. Und überhaupt kein Wort über Tierschützer, die in den USA zu langen Gefängisstrafen verurteilt wurden,  weil sie Rindepferche von öffentlichen Straßen aus fotografiert haben –  das ist in dem Land da oder dort schon verboten.

Wahrheitsgemäße Information der Konsumenten ist nicht erwünscht.

Aus anima Nr.1/2014