Jagen, Sex und Tiere essen

Zum gleichnamigen Buch von Florian Asche (siehe auch die Bücherrubrik Seite 18)
(aus anima Nr.3/2012)
Noch ein kleiner Nachtrag aus dem Interview am Schluss der vorigen Seite: Was ist Großes dabei, auf Tiere zu schießen, die völlig wehrlos sind? Hier brechen tief liegende männliche Leidenschaften aus Urzeiten durch. Ein Gottesdienst dazu erscheint mir blasphemisch. Soweit Pfarrer Seidel aus Leipzig. Er ist allerdings als Vorsitzender der Aktion Kirche und Tiere eher atypisch für die beiden großen christlichen Religionsgemeinschaften.
Im Hinweis auf die Urzeiten trifft er sich allerdings mit dem Autor von Jagen Sex und Tiere essen. Florian Asche, Rechtsanwalt und Jäger aus Hamburg, hat ein erfrischend ehrliches Buch geschrieben. All die offiziellen Begründungen und Rechtfertigungen für die Jagdausübung, als da sind, Ersatz des Großraubwildes, Wildschadenvermeidung, Biotop-Pflege, Naturschutz, Seuchenvorbeugung … wirft er in den Papierkorb.
Er bekennt sich zum Archaischen. Der Jagdtrieb sei wie der Sex in unserem Reptiliengehirn und im Limbischen System verankert, sie zu unterdrücken schade der seelischen Gesundheit. Ein Großteil seines Werks ist dem Bemühen gewidmet, nachzuweisen, dass Sex und Jagd Geschwister sind, urtümliche Triebe.

Sex haben wir, weil er uns Lust und Genuss bereitet.
Auf die Jagd gehen wir, weil sie uns Genuss und Lust bereitet.Er führt dazu keine streng wissenschaftlichen Untersuchungen, er veranschaulicht seine Thesen durch Anekdoten.

Die Thesen sind, wenn auch in offiziellen Jägerkreisen eher tabuisiert, nicht neu. So schreibt Gerhard Staguhn in Tierliebe – eine einseitige Beziehung: „Es geht bei der Jagd um persönlichen Lustgewinn. Findet außerhalb der Jägerei ein Mensch einen besonderen Lustgewinn daran, ein Tier zu töten, so wird er von Psychologen als seelisch schwer gestört eingestuft. Die Psychoanalyse meint sogar eine Beziehung herstellen zu können zwischen Jagdlust und sexueller Lust“. So erzählte der Schweizer Psychoanalytiker und Schriftsteller Paul Parin, begeisterter Jäger, er habe bereits als 13-Jähriger bei seinem ersten tödlichen Schuss auf ein Haselhuhn einen Orgasmus gehabt: „Seither gehören für mich Jagd und Sex zusammen!“ Nebenbei, auch in Kriegsverbrecherprozessen und nicht nur dort wurde berichtet, dass Erschießungen die Täter aufgeilten.

Parallelen zwischen Jagd und Sex mögen also bestehen. Die Frage ist nur, lässt sich damit die Jagd rechtfertigen? Sex betreiben (fast) alle, die Jagd nur sehr wenige. Das deutet doch daraufhin, dass viele Möglichkeiten bestehen, den Jagdtrieb, so es ihn gibt, ohne psychische Beschwer auf Friedlicheres umzuleiten.

Der Autor schwärmt. Die Jagd: Abkehr von den Zwängen der Zivilisation, zurück zur Natur, wieder Erde an den Händen … Nichts Neues, das gab es schon vor gut hundert Jahren: die Lebensreform, die Jugendbewegung – die kamen ganz ohne Jagd aus. „Es ist einfach ein unendlich beglückendes Gefühl, jenseits ausgetretener Pfade … ein Reh anzuschleichen …“.

Mag sein, aber muss ich es deshalb umbringen? Genügt als Beute nicht ein Foto? Nein dem Reptiliengehirn im Jäger ist das zu wenig; das Reptil kennt die Fotografie noch nicht, allerdings ist ihm auch die Beute nicht Selbstzweck, es geht ihm ums Fressen. Ich will nicht hämisch sein, doch viele Jäger haben sich aus den Windungen des Reptilienhirns herausgerungen zu zivilisatorischen Höhen und sehen das Foto positiv, wenn es sie in Siegerpose über der Beute zeigt. (Mein persönliches Problem betr. das Anschleichen ist übrigens nicht das ans Reh, es ist das des Rehs an die Hausmauer zu den Rosen).

Zurück zum Ernst. Das Wild habe ein freies artgerechtes Leben. Der Tod sei für das Tier keine Belastung, es lebe im Heute, wisse nichts vom Sterben. Das Ende durch den Jäger komme rasch und fast schmerzlos. Anders die Nutztierhaltung.

Asche verweist auf die negativen ökologischen Folgen der maßlosen Viehzucht und beschreibt ausführlich die Grausamkeiten der Nutztierhaltung, sowohl was das Leben der Tiere als auch die Endphase vom Stall bis zur Schlachtbank betrifft, und stellt dem die Jagd entgegen. Hier gebe es keine Tierquälerei in der Haltung und der Tod komme ohne Schmerzen mit einem Schuss. Die Schlussfolgerung:
Deshalb ist nicht die Jagd das Tierschutzproblem unserer Tage,
sondern das milliardenfache Halten und Essen von Haustieren.

Diese These wird zwar vielen Tierfreunden, insbesondere wenn sie Fleisch essen, nicht gefallen, doch lässt sie sich – mit einigen wichtigen Einschränkungen – kaum widerlegen und wird auch von nicht wenigen Tierschützern, den Rezensenten eingeschlossen, geteilt. So schrieb Christiane Haupt (Tierärztin und Trägerin des hessischen Tierschutzpreises 2002) in ihrem erschütternden Schlachthof-Bericht „Um eines kleinen Bissens Fleisches willen“ in Bezug auf Nutztierhalter und Schlächter: „Nein, die wahren Unmenschen sind all jene, die diesen Massenmord (in den Schlachthäusern) tagtäglich in Auftrag geben, die durch ihre Gier nach Fleisch Tiere zu einem erbärmlichen Dasein und einem noch erbärmlicheren Ende – und andere Menschen zu einer entwürdigenden und verrohenden Arbeit zwingen.“

Etwas inkonsequent gegenüber seinem Befund zur Nutztierhaltung zeiht er dann die Vegetarier und namentlich die Anhängerinnen der veganen Richtung der Kindlichkeit und des neurotischen Selbsthasses. Selbst vegane Lebensweise koste Tierleben. Das ist richtig, doch nur einen kleinen Bruchteil des Fleischessens.

Die Jagd ist quantitativ unbedeutend und auch qualitativ aus Tierschutzsicht erheblich günstiger als die Nutztierhaltung. Doch leidfrei ist sie nicht. Die Zahl schlechter Schüsse, die Wild lang anhaltend leiden lassen ist groß. Den Punkt verschweigt der Autor. Außerdem Jagd ist nicht gleich Jagd. Es gibt Treibjagd auf massenweise aus Intensivzucht ausgelassenen Fasane (Isst man die dann überhaupt?) und manch anderes, auf das der Autor, außer einige kritische Worte zur Gatterjagd, nicht eingeht.

Noch ein Wort zum Töten. Lassen wir beiseite, dass der so gelobte Raubtierinstinkt zwischen Mensch und Tier nicht unterscheidet. (Ich bin ganz froh, dass Deutsche und Franzosen sich vom durch Jahrhunderte geübten Brauch, einander gegenseitig zu erschlagen, abgewandt haben). Lassen wir die tierrechtlichen Aspekte aus, die Frage, sind wir die Herren der Schöpfung, Richter über Leben und Tod.

Nur ein kleines Zitat noch:
„ Ich werde – erzählt Asche – nie vergessen, wie ich meinen ersten Birkhahn schoss. “Die … (Text siehe Druckausgabe) … gefallener Stern.“

Erwin Lauppert