Einkaufen gehen

In dieser anima stehen zwei Berichte zum Thema „Konsumenten für dumm verkaufen“ und zur Vergeblichkeit, die Politik zu bewegen Abhilfe zu schaffen. Fazit: Änderungen können nur die Kleinen von unten her als Konsumenten bewerkstelligen. Dann gibt es da auf S 19 noch eine kleine Notiz: Dem Tierschutz Ferne zerstörten sechs Hochstände, einfach so aus Hetz. Der Gesichtskreis jedes Menschen hat seine Grenzen, auch der der Verfassungsschützer. Da geht – wie im Tierschützerprozess hervorgekommen – ein Tierschützer laut Handy-Ortung im weiteren Umkreis eines  Pelzgeschäftes wie zahllose  andere auch durch die Straßen: ein klarer Beweis, er, nur er  hat  einen Stein oder eine Stinkphiole in den Laden  hineingeworfen. Also, liebe Tierfreunde, macht einen großen Bogen um jeden Hochstand, falsch beschuldigt ist man schnell. Nebenbei, aus Tierschutzsicht wäre es nicht sonderlich klug, einen Jägertand umzusägen. Das Gesetz verpflichtet nun einmal die Jäger, den Abschussplan zu erfüllen und vom Hochstand her ist es leichter mit einem Schuss zu töten als nur zu  verletzen.

 

Vor sieben Jahren stand in der anima  aus Anlass gewaltsamer Aktionen Jugendlicher in England ein kleiner Artikel  primär an junge Leute voller Tatendrang gerichtet. Das Thema geht über Altersgrenzen hinaus. So ist der Artikel vielleicht auch heute noch von Interesse. Er lautete betitelt „Einkaufen gehen statt Bomben werfen“ wie folgt:

 

Peter Singer, einer der Begründer der Tierrechtsbewegung, hat es klar formuliert:

 

Die Leute, die Profit machen, indem sie Tiere (Anm. der Red.: oder Menschen) ausbeuten, brauchen nicht unsere Zustimmung, sie brauchen unser Geld.

 

Dieses Zitat aus Animal Liberation -    /Befreiung der Tiere, dem von Peter Singer vor dreißig Jahren geschriebenen Bestseller, ist – als Stehsatz im Repertoire der anima – unserem geschätzten Stammpublikum bestens bekannt.

 

Anlaß, es hervorzuholen,  sind diesmal der jüngste Staatsschutzbericht und der über die englische Darley Oak Farm, die von gewalttätigen, großteils jungen Leuten zugeschriebenen Aktionen handeln.

 

 

Die Leute, die Profit machen, indem sie Tiere ausbeuten, brauchen nicht unsere Zustimmung, sie brauchen unser Geld.      Peter Singer

 

 

 

 

Unsere Vermutung: „Einkaufen“ brächte den Tieren mehr als Ställe anzünden und Jägerstände umschneiden. Einkaufen im Lebensmittelmarkt, im Drogeriemarkt usw. wie weiter unten erläutert.

 

Der Versuch, die Jugend zum „Einkaufen“ zu begeistern, stößt allerdings auf emotionelle und praktische Vorurteile. Doch die sind überwindbar.

 

Die praktischen: Zum Einkaufen braucht man Geld. Das haben die meisten jungen Tierrechtsaktivisten nicht. Doch weshalb nicht mit dem Geld anderer arbeiten, ganz legitim? Nicht wenige der heranwachsenden Tierschutzbewegten wohnen noch im Hotel Mama. Warum nicht den täglichen oder wöchentlichen Familieneinkauf übernehmen? Mama würde sich wohl über Mithilfe des Sprößlings im Haushalt, die nach statistischen Untersuchungen eher zurückhaltend sein soll, freuen. Und selbst wer schon außer Haus ist, könnte Einkäufe übernehmen. Die familiären Bande beschränken sich – hört man da und dort – bisweilen ohnedies auf die pünktliche Ablieferung der Schmutzwäsche beim geplagten Mütterlein.

 

Nun zum Emotionellen: Junge Menschen wollen, um ein Dichterwort zu zitieren, in ihrem kühnen Streben die Welt aus ihren Angeln heben. In ihrer gerechten Empörung über Quälerei rasche Ergebnisse sehen. Oder wenigstens action oder excitement, wie es neudeutsch heißt. Waren des täglichen Bedarfs ins Einkaufswagerl schichten, wie langweilig.

 

Tätigkeiten, die nüchterne Strafjuristen simpel Terrorismus benennen, scheinen dagegen   oberflächlich betrachtet dem Drang nach sichtbarer Weltverbesserung eher entgegenzukommen als die gerade empfohlene kommerzielle Tätigkeit auf Konsumentenebene.

 

Geschwärzten Gesichts nächtens im Wald Hochsitze absägen, welch prickelndes Erlebnis. Indianerspiele sind nichts dagegen. Endlich nach mehrjähriger Belagerung  oder in kühnem Handstreich auf einem Massentierstall die Fahne der Tierbefreiung hissen, ein herzbewegendes Gefühl.

 

Wer so denkt, weiß nicht wie „exciting“ Einkauf im Supermarkt sein kann. Natürlich, wer bloß den werbepsychologisch vorgegebenen Weg durch die Regalgänge trottet und reklamegesteuert Waren einlädt, dessen Pulsschlag erhöht sich höchstens, wenn die Kassa die Endsumme ausweist. Nur wer den Sinn des Unternehmens im Auge behält, die Handelskette zu bewegen, konsumentenfreundlich zu agieren,  klar darzustellen,  ob die Ware tierische Bestandteile und welche enthält, (o/l)-vegetarische und vegane Produkte in die Regale zu stellen, oder wenigstens mit Freilandeiern erzeugte Nudeln und Keks, irreführende Reklame abzustellen etc.  kann den erregenden Reiz des Einkaufs genießen. Es beginnt schon beim Entziffern der Zutatenliste.

 

Und dann: fragen. Die richtigen Leute – nicht die arme ausgebeutete Regalschlichterin. Wenn der Filialleiter händeringend die Zentrale anfleht, endlich die Produzenten dazu zu bringen, kundengerecht zu deklarieren und zu produzieren, dann ist das Ziel fast erreicht. Es ist schwierig. In größeren Märkten schon das Vordringen zum Leiter. Psychologie ist gefordert, Charaktere erkennen und je nach dem behandeln, das richtige Maß zwischen Höflichkeit und Härte, wie viel ist zumutbar, die eigene Belastbarkeit und die der Gesprächspartner taxieren. Wem Polizeiknüppel abgehen, der findet reichlich Ersatz in Form aufgebrachter Kunden. Wenn durch sein Fragen ganz ungewollt die Warteschlange vor der Kasse länger wird. Auch das Gemeinschaftserlebnis muß nicht zu kurz kommen. Es ist wegen der mitunter feindlich gesinnten Umwelt und um des Erfolgs willen empfehlenswert, zu mehreren ins Geschäft zu ziehen.

 

Mit einem Wort, die Aktion Einkauf heißt Erfahrungen und Techniken sammeln, Menschenkenntnis erwerben, ist Schulung fürs Leben, und alles ganz legal. Die in jungen Jahren erworbene Fertigkeit, Ställe abzufackeln, hilft dagegen später kaum weiter. Weder in Freiheit noch beim Sackerlkleben im Gefängnis. … Übrigens, es gibt keine Altersgrenze. Also, warum es nicht versuchen?“ Soweit damals.

 

 

In Facebook-Zeiten geht es leichter

 

 

 

 

Heute unter besseren Kommunikationsbedingungen ist es leichter. Ein Beispiel: Es ist schon lange her, da fiel mir in einer Handelsketten-Filiale  ein neu auf den Markt gekommener Brotaufstrich auf, mit V-Zeichen als vegan gekennzeichnet. Leider war der Grundpreis irrig, verkaufsschädigend und  gesetzwidrig zu hoch angegeben. Im Lauf einiger Wochen wies ich ungefähr fünf Filialeiter teils sehr intensiv    ich will nicht mit Einzelheiten langweilen – auf den Fehler hin, schrieb der Kettenzentrale, machte schließlich eine Verwaltungsstrafanzeige, alles vergeblich. Erst eine Intervention der ebenfalls eingeschalteten Konsumentenberatung der Wiener Arbeiterkammer brachte wenigstens ein Entschuldigungsschreiben der Firma. Da war der Aufstrich schon als  zu teuer aus den Regalen geflogen. Heute in Facebook-Zeiten wäre es einfacher. Wer den Fehler bemerkt, informiert seine Freunde, die tun das auch. Hätte nicht nur ein, hätten je zehn Kunden, möglichst mit vollem Einkaufwagen in vierzig Filialen höflich aber bestimmt den Betrieb aufgefordert, vom gesetzwidrigem Tun abzulassen, hätte die Zentrale wohl sehr rasch reagiert.                                                          Erwin Lauppert

Aus anima Nr.4/2012