Sankt Hubertus

aus anima  Nr.3/2012, 20.9.2012:   Es ist eigentlich etwas antiquiert, heutzutage noch über Heilige zu sprechen. Die dem Christentum teuren Gestalten sind nicht mehr „in“ . Die Madonna, Mutter Gottes. all die Heiligen, einst Wegweiser im Jahreslauf,  sind den meisten  fremd geworden, unbekannt. Es sind andere Madonnen, andere Idole, denen  die Menschen, viele wenigstens, huldigen, die sie anhimmeln, vergöttern und anbeten, denen sie reiche Opfergaben darbringen in vollen Arenen – der gute alte  Klingelbeuten kann sich da nur verstecken.

Es ist eigentlich nur ein Heiliger, der da aus den Rahmen fällt: ihm zu Ehren finden selbst manche Menschen, die sonst das Gotteshaus meiden, wenigstes an einem Tag im Jahr in die Kirche: – sehr zum Missfallen vieler Tierschützer übrigens. Es ist  der heilige Hubertus, der zum Schutzheiligen der Jäger ernannte.

In einem Monat kommen landauf, landab in vielen Kirchen Jäger zusammen, um an seinem Gedenktag, dem 3.November die Hubertusmesse zu feiern. Wie kommt es, dass gerade ihm,  der der Jagd entsagte, diese Ehre zuteil wurde? Die Frage ist auch für Tierrechtler interessant.

Versuchen wir, der Sache auf den Grund zu gehen. Die Legende vom hl. Hubertus ist bekannt, doch wussten Sie, dass das Motiv ursprünglich aus Indien bzw.Sri Lanka stammt? Buddhistische Tradition erzählt, im 3.Jahrhundert v. Chr. sei ein König auf der Jagd auf einen Hirsch gestoßen. Der trug ein silbernes Geweih, zwischen den Stangen züngelten goldenen Flämmchen, Edelsteinen gleich. Nach wilder Jagd vom König gestellt, sprach der Hirsch: „Lass ab vom Bösen, oh König! Versenke dich und bekenne dich zu Buddha!“

Die Legende wanderte westwärts und machte am hl. Eustachius (im 5.Jahrhundert heilig gesprochen) fest. Der – geschichtlich nicht belegt– soll um das Jahr 100 n.Chr. Heermeister einer römischen Legion gewesen sein. Auf einer Jagd erschien ihm ein Hirsch, der zwischen seinem Geweih den Gekreuzigten Christus in großem Strahlenglanz trug. Er stürzte vom Pferd und hörte eine Stimme, die sprach: Warum verfolgst du mich? Ich bin Christus, der den Himmel und die Erde erschaffen hat, ich ließ das Licht aufgehen und teilte die Finsternis.“  Als sich die Erscheinung wiederholte, bekehrte er sich zu Christus. Die weiteren Geschehnisse, Heimsuchungen, Leiden, Martyrium lassen wir beiseite. Ein erster Bericht findet sich im Griechischen im 8 Jahrhundert, ab dem 10.Jahrhunder fand die Legende im Westen weite Verbreitung.

Über das Leben des Hubertus gibt es verschiedene Versionen, Nach einer lebte er um die Wende vom 7. zum 8.Jahrhundert. Aus hochadeligem Geschlecht  in Königsdiensten, habe er sich nach dem Tode seiner Frau sieben Jahre lang als Einsiedler in die Ardennen zurückgezogen, wo er von der Jagd lebte. Im  Glauben zu Christus gefestigt – wir überspringen Einzelheiten – wurde er letztlich Bischof von Lüttich. Seine Gebeine wurden  rund hundert Jahre nach seinem Tod in das später Saint Hubert genannte Kloster in den Ardennen (heute Belgien) überführt; seit der französischen Revolution sind sie verschollen. Saint Hubert war im späteren Mittelalter ein bedeutender Wallfahrtsort.

Nach anderer Version war Hubertus niemals ein Jäger, denn er kam schon als fünfjähriger Knabe in die Obhut des Bischofs Lambert. Er musste daher auch nicht zum christlichen Glauben bekehrt werden. Über die Herkunft des Heiligen Hubertus ist nicht mehr bekannt. „Hubertus war ein einfühlsamer Missionar, der zu seinen Lebzeiten die noch heidnischen Einwohner der Ardennen bekehrte. Insbesondere versuchte er den bei den hier lebenden Jägern noch gebräuchlichen Dianen-Kult durch christliche Bräuche zu ersetzen. War es früher üblich, die erste Jagdbeute jährlich der Göttin Diana zu opfern, liess der heilige Mann nun den Erstling dem heiligen Petrus weihen. Kein Wunder, dass die bekehrten Jäger nach dem Tod des heiligen Hubertus nunmehr diesem ihre erste Jagdbeute opferten und ihn als Schutzpatron der Jagd verehrten.“1

Die Hirschlegende  wurde erst im 15.Jahrhun-dert auf den hl. Hubertus übertragen. Er wurde zuvor als Bischof und Erbauer von Kirchen und Klostergründer meist mit einer kleinen Kirche in der Hand dargestellt.

Der ursprünglich auf die Region Lüttich beschränkte Hubertusvrehrung verbreitete sich zuerst vorwiegende im französischen Sprachgebiet und den angrenzenden Teilen Deutsch-lands. Hier hatte der Herzog von Jülich-Berg (nahe Köln) einen ritterlichern Hubertusorden (militärischen, nicht jagdlichen Charakters) begründet, der über die Rheinpfalz nach 1800 durch Erbfolge ins Königreich Bayern gelangte. Verbreitung in breiten Jägerkreisen im übrigen deutschen Sprachgebiet fand Hubertus  erst gegen Ende des 19.Jahrhunderts. Auch der Nationalsozialismus nahm sich seiner an und „reduzierte den christlichen Heiligen auf das Klischee des waidgerechten Jägers’“. Eine Auffassung , die auch heute noch nicht erloschen ist.

Soweit der Versuch, die Entwicklungsgeschichte des Hubertuskults zu skizzieren. Allerdings kann solche Betrachtungsweise den Sinn einer Legende nicht erfassen; in ihr liegt eine eigene Wahrheit abseits historischer  Gegebenheiten. Die Legende, wie sie allgemein überliefert ist, lautet:

“Als einst Hubert an einem Karfreitag mit seinem lauten Tross zur Jagd zog, warnte ihn seine Gattin und flehte ihn dringend an, den Todestag des Herrn nicht zu entweihen. (Nach anderer Quelle spielte die Geschichte am Weihnachtstag). Er schien von der liebevollen Warnung seiner frommen Gattin gerührt, dennoch siegte die Jagdlust. Mit seinem zahlreichen Gefolge sprengte er durch die Wälder und verfolgte einen prächtigen Hirschen. Als er ihm nahe kam und schon den Bolzen nach dem Tiere abdrücken wollte, bleibt es plötzlich stehen, wendet sich nach dem Jäger, und mitten in seinem Geweih erscheint ein strahlendes Kreuz. Eine klagende Stimme ertönt: ‘Hubertus, ich erlöste dich und dennoch verfolgst du mich!’

Hubert erbebte, warf sein Geschoß von sich und flehte innig zu Gott um Erbarmen. Darauf baute er sich eine Hütte aus Baumzweigen und Schilf und führte, von der Welt geschieden, in stiller Waldeinsamkeit ein bußfertiges, abgetötetes Leben.”

 

Die Wochenzeitung für die evangel. Lutherische Landeskirche Sachsens brachte vor etlichen Jahren ein Interview mit einem evangelischen Pfarrer:

Warum feiern evangelische Gemeinden eine Messe für den Hlg. Hubertus

Der Heilige ist nur ein Feigenblatt. Oft jedoch wird die Hubertuslegende in der Messe ohne Pointe gelesen – wie absichtsvoll. Der Heilige hat jedoch, nachdem Christus ihm als weißer Hirsch erschien, der Jagd und dem Töten völlig abgeschworen. Wenn es so wäre, dass nach der Hubertusmesse einige der versammelten Jäger ihrer blutigen Passion entsagten, hätte die Messe auch diesen Namen verdient.

 

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1Die  Skizze  folgt neben anderen Quellen den ausführlichen Darlegungen auf den websites des „Internationalen Hubertusordens“