Halts Maul, sonst kommst ins KZ

Wiedergabe aus der anima – Winternummer  2010/2011, Seite 18 bis 20: (Sie können alle älteren anima-Hefte auch unter www.vegetarier.at lesen).

Halts Maul, sonst kommst ins KZ – – Österreich: Wiederkehr der Konzentrationslager?

„Ich bin beim Schussnigg gesessen  – das war ja herrlich -, ich bin beim Horthy gesessen – das war auszuhalten -, ich bin beim Rakosi gesessen – das war die Hölle.“ So habe ein in Gefängnissen erfahrener Genosse die Haftbedingungen im österreichischen Ständestaat und in Ungarn vor und nach dem zweiten Weltkrieg charakterisiert, erzählt der gewesene Chefredakteur der einstigen steirischen kommunistischen Tageszeitung Wahrheit in seinen Lebenserinnerungen.

Die Aussage zeigt, Haftbedingungen variieren. Auch die nazistischen Konzentrationslager waren von unterschiedlicher Leidensintensität, wandelten sich – von den brutalen „wilden KZs“ der SA  nach der Machtergreifung – über die nicht ganz so brutalen, mit preußischem Ordnungsdrill geführten Lager bis etwa 1938, die eher der Wiedereingliederung in die NS-Gesellschaft dienten und die vermutlich manche Guantanamo-Häftlinge als milder empfinden würden, – bis zu den zunehmend anarchisch den sowjetischen ähnelnden Arbeitslagern mit im Fortschreiten des Kriegs immer elenderen Tod bringenden Verhältnissen.

Es ist nicht Sinn dieser Zeilen, eine Geschichte der Konzentrationslager zu bringen von der ersten Erwähnung des Namens im Krieg Spaniens gegen die aufständischen Kubaner Ende des 19.J bis nach Guantanamo ebendort im 21.Jahrhundert. Da gibt es reiche Literatur.

Nur eine Nebenbemerkung, damit der Titel oben nicht zu falschen Schlussfolgerungen führt: Ein ganz anderes Kapitel des nazistischen Terrorsystems sind die fälschlich häufig auch als Konzentrationslager  bezeichneten Vernichtungsanlagen, die keine Lager sondern Tötungsstätten waren wie Treblinka usw. Zuzugeben ist allerdings, dass Arbeitslager unter welchem Regime immer auch letztlich der Vernichtung dienen können; nicht umsonst nennt Solschenizyn Kolyma „Auschwitz ohne Öfen“. Wir brauchen aber gar nicht bis ins ferne Sibirien wandern, sozusagen vor der Haustür in der Umgebung von Graz gab es im ersten Weltkrieg Lager schmerzlicher Qualität. Es soll hier aber auch nicht die Geschichte staatlichen Mordens erzählt werden, das wäre ein hoffnungslos umfängliche Arbeit – der amerikanische Politwissenschaftler R. J. Rummel beziffert die Zahl der Demozid- und Kriegsopfer im 20.Jahrhundert auf weit über 200 Millionen – und sie machen weiter, manche Diktatur, manche Demokratie. zurück zum Thema.

Uns geht es um etwas anderes. Nicht um die Frage, ob ein Haftort herrlich, aushaltbar oder die Hölle ist, sondern warum kommt jemand hinein.

Ins NS-KZ konnte man u.a.  wegen staatfeindlicher Äußerungen, Verbreitung von „Greuelnachrichten“, Beleidigung und abfälligen Äußerungen über führende Persönlichkeiten des Regimes etc. kommen. Das ist für ein antidemokratisches Regime, das sich wie das Naziregierung nur durch Terror halten kann, notwendig.

Unser Strafgesetzbuch kennt die Verwahrung geistig abnormer Rechtsbrecher auf unbestimmte Zeit, unter Umständen lebenslänglich. Das ist an sich eine vernünftige Maßnahme. Man kann nicht jemanden, der aufgrund seiner psychischen Konstellation dazu neigt, Mitmenschen ein

Messer in den Leib zu rammen, frei herumlaufen lassen.

Die Frage ist: Hat es ein demokratischer Rechtsstaat notwendig, jemanden auf  unbestimmte Zeit zu internieren, unter Umständen sogar lebenslänglich, weil er verbal oder im Internet gegen einen Minister oder ein paar Beamte ausfällig wird, mit oder ohne Grund?

Der konkrete Anlassfall und seine Vorgeschichte (soweit dem Internet zu entnehmen, daher möglicherweise einseitig):

Eine Familie, Mann, seine französische Frau und vier Kinder, fährt von Wien nach Italien auf Urlaub. Die Frau verliebt sich in einen Italiener und verschwindet mit den beiden Töchtern (acht Jahre und ein halbes Jahr alt) und dem Auto des Mannes, die Söhne lässt sie beim Mann. Der spürt seine Gattin in der Schweiz auf, ein  Schweizer Richter verfügt die Rückgabe der Töchter an den Mann. Der berufstätig, wohlhabend sorgt zurück in Wien für angemessene Betreuung der Kinder in seinem Heim. Er gestattet seiner Frau, die nach einigen Wochen wieder nach Wien gekommen ist, die Kleinen nach Wunsch zu besuchen. Eines Tages nimmt sie die Kinder, angeblich über Anraten eine Beamtin der Jugendwohlfahrt, aus der väterlichen Wohnung, zieht ins Frauenhaus und erreicht, dass die Obsorge ihr zugesprochen wird. Das war 2001,  seither  hat der Mann seine Kinder nicht mehr gesehen.

Er lässt es nicht darauf beruhen, es folgen lange verwirrende Prozesse, bis heute nicht entschieden. Je mehr der Mann an der Justiz verzweifelt, seinem Empfinden nach offenkundige Rechtsgrundsätze missachtet werden, umso intensiver kämpft er gegen die Justiz, wird zum „Justizrebellen“, zum allgemeinen Kämpfer für Väterrecht und gegen – seiner Meinung nach – psychische Kindermisshandlung und -schändung durch Justiz und Jugendwohlfahrt, ausfälliger und ausfälliger, erinnert da an Mundl, die aus Fernsehen und Film bekannte Figur.

Sein Problem: Obwohl ein Mensch von weit überdurchschnittlicher Intelligenz, führt er den Kampf in einer Sprache, die auf Fußballplätzen und in Wirtshäusern in späterer Stunde nicht auffällt, aber im Justizmilieu befremdet. Während man dort, einen Sachverhalt schlicht und klar umschreibend, einfach „Trottel“ sagt, formuliert man hier, „diese Ansicht ist „bedenklich“ oder schärfer „nicht nachvollziehbar“; es bedeutet dasselbe, schützt aber eher vor gerichtlicher Verfolgung. Zurufe an Schieds-Richter am Fußballplatz, die deren künftige körperliche Integrität in Frage stellen, gelten dort als sozialadäquat, derselbe Zuruf an einen Richter im Justizpalast wird zum Delikt der  gefährlichen Drohung.

Den Mundl ins Irrenhaus? Muss das sein ?

Es gibt viele, die wie der Mundl ihre Empörung derb und grob äußern. Würden da alle Amtsträger, ohne zu kalmieren,  immer gleich mit dem Strafgesetzbuch dreinschlagen, hätten wir bald eine Million Strafprozesse mehr im Jahr. Unser Mann aber handelte sich so schon vor Jahren insgesamt  ca. zwei Jahre Gefängnis ein, die er entgegen sonstigem Brauch voll absitzen musste (Dem wer ma’s scho zeigen).

Es gibt auch unter Richtern und Jugendfürsorgern wie in anderen Bevölkerungsschichten nicht nur Engel. Die Liste an Traurigem wäre lang. Hier wurden Kinder aus ihrem jahrelang gewohnten komfortabblen Umfeld herausgerissen und in ein Zimmerl im Frauenhaus transferiert, zu einer Mutter deren Verantwortungsgefühl in Frage gestellt werden kann – sie hatte immerhin zuvor zwei ihrer Kinder verlassen gehabt. Eine derartige Entscheidung nicht sachlicher Abwägung sondern feministisch-ideologischer Voreingenommenheit zuzuschreiben, ist nicht abwegig. Einem Elternteil ist es, so oder so, viele Jahre verwehrt, die Kinder zu sehen; die Annahme, hier sei etwas mies an der Rechtsordnung oder ihren Vollziehern, liegt da nicht ganz fern. In ihrem neuesten Wahrnehmungsbericht zweifeln die österreichischen Rechtsanwälte manchmal an der Objektivität der Justiz: So hätten einige Väter bei Obsorgeverfahren  im vorhinein die Auskunft erhalten, dass „das Kind immer zur Mutter kommt“. Doch konkret einem bestimmten Amtsträger diesbezüglich Amtsmissbrauch zu unterstellen, kann zu Anklage wegen Verleumdung führen.

Eine häufige Entwicklung: Einem Menschen wird – tatsächlich oder vermeintlich – Unrecht getan. Er wehrt sich dagegen, ruhig und sachlich. Es hilft nichts. Da wird er lauter, doch keiner will ihn hören. Er wird noch lauter, doch je intensiver er wird – bald sieht er nur noch Feinde um sich – umso weniger geht man auf ihn ein. Ist halt ein Querulant. Schließlich sagen die Angesprochenen: Das Gekläffe geht uns auf die Nerven, weg mit ihm.

Mag. Herwig Baumgartner, Väterrechtler und Justizrebell wurde am 20. September 2010 wegen Verleumdung gegen Justizbeamte, Widerstand gegen die Staatsgewalt, gefährliche Drohung, Stalking, und Nötigung in zusammen 26 Fällen (noch nicht rechtskräftig) zu vier Jahren Freiheitsstrafe und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt. Einweisung in eine Anstalt kann wie erwähn faktisch lebenslänglich bedeuten.

Welche konkrete Taten den hochtrabenden Deliktnamen zugrunde liegen, bleibt unbekannt, ob Lappalien oder Arges (Halte ich jemanden, der nicht hören will, kurz am Rockzipfel fest, kann dies schon Nötigung sein). Unsere Rechtsordnung verwehrt es der Öffentlichkeit über Zeitungsmeldungen hinaus zu erfahren, was einer Person konkret vorgeworfen wird.

Warum erzählt Ihnen eine Tierrechtszeitung das alles. Es gibt Parallelen.  Tierrechtlern wird vor Gericht Bildung einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) vorgeworfen; gegen B. und eine Reihe von Väterrechtlern ermittelten die Behörden vorerst wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB), ein mit viel höherer Strafe bedrohtes Delikt. Mit immensem Polizeieinsatz. Das kam in der Öffentlichkeit nicht gut an. Väter, die  ihre Kinder nicht sehen dürfen, gibt es halt doch zu viele. Die Justiz ruderte zurück, und beschränkte sich darauf B. nur wegen der Kleindelikte anzuklagen.

Menschen, die ihre ganze Zeit, ihr ganzes Leben der Hilfe für Tiere widmen, sind zweifellos nicht die Norm, sie sind bezogen auf die Geistigkeit der Normalbürger abnorm. Der Tierschützerprozess erscheint auch erfahrenen Juristen in manchem merkwürdig. Lässt sich ausschließen, dass dort ein Psychiater auftaucht, der Angeklagten wie im Baumgartner-Prozess geistige Abartigkeit attestiert, weil sie nicht dem Normbild entsprechen? Damit sie weggesperrt werden können und der Normalbürger wieder in Ruhe sein Schweinsschnitzel essen kann?

„Sei still, sonst kommst ins KZ“ war zur Nazizeit ein geflügeltes Wort. Teils drohende, teils freundschaftliche Warnung, nicht gegen die Staatsgewalt aufzumucken. Zugegeben, unsere Anstalten für geistig Abnorme, Gefängnisse und  Irrenanstalten sind kein KZ; auch wenn in jüngster Zeit und zuvor manch Grausliches darüber in den Zeitungen stand.

Wesentlich ist, dass hier wie dort der Inhaftierte nicht formal doch faktisch rechtlos ist und im Ungewissen bleibt, ob er je wieder frei wird.

Das Naziregime hatte es nötig, Leute die sich regimekritisch äußerten, wegzusperren. Hat es die Republik Österreich auch nötig, Menschen die sich verbal und im Internet gegen tatsächliches oder vermeintliches Unrecht wenn auch grob und derb zur Wehr setzen, auf Dauer wegzusperren?

Erwin Lauppert