Vor 20 Jahren in England:

4England Bürgerbewegung gegen den Lebendtransport von Schlachttieren

Im Frühjahr 1995 schrieb uns eine England verbundene Deutsche:

England befindet sich im Aufruhr! Eine noch nie da gewesene Welle des Protestes fegt, zumindest an der südlichen Küste, durch das Land. Durch die starke und effektive Öffentlichkeitsarbeit verschiedener Tierschutzorganisationen ist es gelungen, sowohl die Medien als auch die breite Öffentlichkeit auf das unsägliche Leid der Kälbchen und Schafe auf ihrer Todesroute in die Schlachthäuser von Frankreich und Holland aufmerksam zu machen. Die Zeitungen und die Fernsehsender berichteten  ausführlich über die Lebendtransporte der Kälber und Schafe. Die Tiertransporte waren „das“ Tagesthema! Plötzlich wurden auch die Bürger, die sich nie zum demonstrieren auf die Strasse begeben hätten, gewahr, wie eine handvoll geld-und raffgieriger Geschäftemacher unter Umgehung aller Tierschutzbestimmungen -  Time is money!, riesige Gewinne abzocken. Und damit wollen sie sich nicht abfinden, dass auf Kosten der Ärmsten der Armen, der Tiere nämlich, solch ein großes Unrecht begangen wird. Der Widerstand begann sich zu formieren.  Da die Briten ein ausgesprochen faires Gerechtigkeitsempfinden besitzen und vor allem der Vegetarismus sehr viel weiter verbreitet ist als bei uns, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Protest gegen die Lebendtiertransporte zu einer  Bürgerbewegung entwickeln sollte. Seit dem vergangenen Spätherbst gehen unzählige Menschen wirklich aller Bevölkerungsschichten, Tag für Tag und Nacht für Nacht auf die Strasse, um gegen die Tiertransporte friedlich, aber lautstark zu protestieren. Mittlerweile hat diese Protestwelleder Polizei,, die den Profit einiger sehr einflussreicher „Gentleman Farmer“ gegen die Tierschutzbestimmungen schützt, weil über 7 Mio. Pfund Sterling gekostet und ein Ende des Kampfes ist noch lange nicht abzusehen.

Verhaftungen von friedlichen Bürgern sind unter Polizeigewalt an der Tagesordnung, die Sekretärin ebenso wie der Student, die Hausfrau wie der Rentner, Schüler wie Lehrer. Die täglichen Viehtransporter werden mit hunderten von Polizisten, sowohl von der normalen Schutzpolizei als von der knallhart ausgebildeten Bereitschaftspolizei (Riot Police) hermetisch abgeschirmt. Hunderte von Polizisten und hunderte von protestierenden Bürgern marschieren Schulter an Schulter durch Shoreham und Brightlingsea, die Polizei um die Transporter zu schützen und die Bürger um sie aufzuhalten. So ist der Protest mittlerweile bestens organisiert, es werden Autobahnzufahrten ebenso blockiert wie die Hafenzufahrten. Oft verpassen die Fähren die Flut zum Auslaufen und sind gezwungen, große finanzielle Einbußen hinzunehmen, weil die Transporter wegen der Demonstranten meilenweite Umwege fahren müssen und so nicht rechtzeitig auf die Fähren kommen können. Nicht nur dass die Transporter schon von weitem von Aktivisten abgepasst und so zu Ausweichmanövern gezwungen werden, nein, auch die Polizei ist ständig auf Trab. Der Polizeiapparat wird vielfach von den Demonstranten zum Narren gehalten, indem sie zu unterschiedlichen Eisätzen fahren müssen und der echte Kern der Aktivisten dann ganz woanders die Transporter aufhält bzw. Umwege zu fahren zwingt.

Der Shoreham Protester berichtete z.B. am 14. April über die ständige Polizeigewalt u.a. folgendes – „Eine große Gruppe von Protestierenden nahm aufgebracht wahr, wie eine 72-jährige Frau von zwei Beamten in die Mangel genommen wurde. Einer drehte ihr die Arme auf den Rücken und der andere zerrte sie an ihrem Halstuch, bevor sie abgeführt wurde. Viele Paare die gemeinsam demonstrieren, lassen sich, wenn der eine verhaftet wird, ebenfalls abführen! Und weiter… Den Mut den manche dieser Menschen, womöglich das erste Mal in ihrem Leben aufbringen, ist sehr oft anspornend. Eine älteren Dame: „Gerade wurde mein Mann (65) wegen einer Sitzblockade verhaftet. Ich werde morgen gegen die Polizeigewalt vor der Polizeistation in Brighton demonstrieren!“… Kurze Zeit später griff sich einer der Bereitschaftspolizisten einen zwölf Jahre alten Schuljungen, mit auf dem Rücken gedrehtem Arm führte er dem schreienden Jungen zum Bereitschaftswagen. Der Beamten war sofort von einer wütenden Menge umringt, einige versuchten seine Kollegen davon abzuhalten durchzudringen, während andere versuchten, den Jungen zu befreien. Letzendlich kämpften sich die Polizisten durch – es war eine krankmachende Situation mit ansehen zu müssen, wie der mittlerweile vor Angst hysterisch gewordene Junge abgeführt wurde. Die ganze Szene wurde auf Video festgehalten. Wir erfuhren später von einem zur selben Zeit abgeführten Mann, dass der Junge im Wagen noch weiter misshandelt wurde und er isoliert in einer Jugendzelle eingesperrt worden war!“

AAlle großen Fährgesellschaften hatten sich auf Druck der Proteste (Boykott der Fähren!) geweigert, weiterhin die Todesfracht von Dover, Plymouth etc.nach Frankreich und Holland zu befördern. Deshalb wichen die Transportunternehmen auch auf die kleinere Häfen wie Shoreham u.a. aus, wo die Transporte mit den Todesschiffen aus Billigflaggländern durchgeführt werden. Die Vereinigung der Transporteure und Viehzüchter hat allerdings inzwischen gerichtlich durchgesetzt, dass ab Ostermontag die Häfen Dover, Pymounth und der Flughafen Coventry wieder die Lebendtiertransporte aufnehmen müssen. Die Gerichte wurden mit Prozessen der Transporteure und Viehzüchter überhäuft, sodass sich jetzt keine Frachtgesellschaft mehr weigern kann, die Todesfracht zu befördern. Nach diesem Rückschlag sieht es schlecht aus für die Tiere und für die Demonstranten, die ungebrochen weiter für die Kälber und Schafe demonstrieren und damit auch für uns auf dem Kontinent Zeichen setzen!Wir müssen von hier aus die britischen Tierrechtler unterstützen…. Und wir sind es auch immer noch Jill schuldig!            H. M.

aus anima Nr.4/2014