anima – Herbstnummer

Themen in dieser anima:
Von Liedern und Zahlen
Orpheus, Pythagoras und die Anfänge
des Vegetarismus in Europa

Wer erhört Hühnergeschrei?
Armes Küken, armes Huhn
Kein Ei ist gut

Das Dilemma
Lässt Michverzicht Schweine sterben?
80.000 – 800.000 – 8,000.000
Mehr auf Seite 9

Wie vegetarische Restaurants gründen?
Seite 6

Fleisch essen die falsche Richtung
Weiderind gegen Spinat?
Seite 14

Kriegsopfer Tier
Seite 18

Aufschrei gegen Massentierhaltung
Steirische Initiative gegen Riesenställe
Tagung am 17.Oktober
Mehr auf Seite 22

Tierrechtskongress
Wien 9.bis 12.Oktober
Mehr auf Seite 23
U.a.: Do 9.10. 18.30: Hilal Sezgin, Artgerecht ist nur die Freiheit“
Do 9.10. 20.15: Prof. Farkas „Tierschutzbewegung in Österreich vor 11914“
Fr 10.10. 11 Uhr: Diskussion Veggieboom: Kaplan. Hnat. Lauppert, Zösch
Sa 11.10. 14 Uhr:Melanie Joy, Speaking troth to power (Vortrag in Englisch)

Und außerdem: Gesundheitstipps, Restauantbesprechung, Buchrezensionen und mehr

Hier noch einige Ergänzungen::
Warum nur in Graz? 6
Restaurant Ginko
Weltvegetariertag, Gründe für „Kein Fleisch“ 7
Hilft vegan den Tieren 8, 9
Irmela Erckenbrecht
Vitamin B12- Aufgepasst! 10
Glyphosat, Angora, Lederschuh
Impressum 12
Vegetarische Informationen 13
Monika Halsegger-Hofer, 16
Milchverzichtt aus gesundheitlicher Sicht
Krieg 18, Bücher 18,19
R.Pöppinger, Tiere im Ersten Weltkrieg;
F.Schmitz, Tierehik;
Fleischatlas 2014;
DVD Der letzte Fang und Live and let live;
Vegan in Wien;
M.Masanobu, Der große Weg hat kein Tor;
I.Erckenbrecht, Probier’s vegan;
A.M.Paternina, Mais – das goldene Korn;
C.Goldner, lebenslänglich hinter Gittern

SEITE 2:

Liebe Leserinnen und Leser,
der Herbst ist gekommen, Zeit nach geruh-sameren Sommertagen gestärkt an die Arbeit zu gehen. Gleich jetzt im Oktober ein wichtiger Schwerpunkt, nach drei Jahren wieder ein Tierrechtskongress, eine Heer-schau von Ideen, Vorhaben, Reflexionen, Ausblick, Rückblick.
Auch in der anima finden Sie einen kleinen Rückblick, ganz weit zurück in die Uran-fänge des Vegetarismus (Seite 4) und zuvor, Welttierschutztag, das Gedenken an die Lichtgestalt des hl. Franziskus. Wer könnte es eindrucksvoller als ein begnadeter Dich-ter. Dann wieder nach vorn geblickt zur Praxis. Wie lässt sich die vegetarische Infra-struktur verbessern? In manchen Städten steht es gut um die fleischlosen Speisestät-ten, in anderen schlecht. Kann auch ein Nicht-Gastronom helfen (Seite 6)?
Um Missverständnisse zu vermeiden, wir verstehen nach alter Übung unter vegetarisch sowohl den gemäßigten als auch den strengen jetzt meist vegan genannte Zweig. Und weil wir schon beim Wortdeuten sind: Wir vermeiden das das Lesen erschwerende Binnen-I und die Zeilen fressende Ersatz-übung, im Text männliche und weibliche Form nebeneinander zu stellen, nicht aus ideologischen Gründen, einfach weil es praktikabler ist. Das im hergebrachten Sprachgebrauch meist übliche grammati-kalisch männliche Geschlecht schließt also Frauen mit ein und umgekehrt wenn üblich das weibliche auch das männliche. Wenn wir also von Gänsen sprechen, meinen wir die Gänseriche ebenfalls.
Vom Formgeplänkel zu wichtigeren Prob-lemen. Wir hatten in den letzten Nummern der Zeitschrift unsere nüchterne Wahrneh-mung mitgeteilt: Milchverzicht bedeutet wenigstens unter den gegebenen österreichi-schen Verhältnissen – es geht hier nicht um die umstrittene gesundheitliche Frage – so-lange die Mehrheit Fleisch isst, nur eine Verlagerung von Tierleid, nämlich von Rin-dern auf Schweine und so genanntes Mast-geflügel; und denen geht es im allgemeinen schlechter. Es wäre also beim Fleisch anzu-setzen – deshalb und weil der 1. Oktber Welt-Vegetarier-Tag ist, auf Seite 7 wichtige Gründe für die vegetarische Lebensweise. Die Wahrnehmung zur Milch hat einige Aufregung verursacht; sie gefällt uns nicht, aber wir können Tatsachen nicht ändern. Dazu nochmals einige klärenden Worte und Anregungen, wie lässt ich Rindern insbe-sondere kälbern helfen (Seite 9). Noch eine Klarstellung: Anders als bei der Milch, beim Ei greift Veganismus (Seite 8).
Ein anderes kontroversielles Thema greifen wir auf: Landwirtschaft (Pflanzenbau) und Tierleid. Ansonsten, wie üblich gibt es die Bücherseiten und einiges mehr. Unsere Zeitschrift soll der Information und auch der Diskussion dienen und zum Nachdenken anregen. Wir freuen uns über jede Reaktion und jeden Meinungsbeitrag,
Ihre anima-Redaktion

SEITE 3:

Franziskus

Die Tiere alle waren ihm vertraut
Und kamen treu auf seinen Ruf gesprungen.
Die Eselin war schön wie eine Braut,
Der Rabe hat ihm seinen Schmerz gesungen.

Und früh im Morgenrot die Nachtigall
Flog an die Gitterstäbe seiner Zelle.
Die Spinne warf auf ihn sich wie ein Ball,
Vor seinen Wimpern tanzte die Libelle.

Und wenn er flüsternd seine Sprüche sprach,
Und seine Hände Weihrauchfässer schwangen:
Voll Vögeln schwirrte jubelnd das Gemach,
Und aus den Wänden selbst die Lerchen sangen.

Klabund
(1890 – 1928)

SEITE 4:

Von Liedern und Zahlen
oder
Wie Orpheus und Pythagoras den Vegetarismus in Europa begründeten

Philipp Michael Schwinghammer

Wir kennen sie alle aus unserer Schulzeit noch allzu gut, seien es die Sagen um den Sänger Orpheus, als er mit Jason und Her-kules nach Kolchis segelte, um das Goldene Vlies zu stehlen oder als er versuchte seine verstorbene Frau Eurydike aus der Unter-welt zu befreien oder sei es der berühmte Satz des Pythagoras a2+b2=c2. Interessant scheint vielmehr, dass gerade diese beiden Gestalten der Mythologie und Geschichte die Begründer des europäischen Vegetaris-mus darstellen, der eine als Musiker, der andere als Mathematiker und Philosoph.

Beginnen wir mit dem Musiker. Orpheus soll in Thrakien als Sohn der Muse Kalliope, der schönstimmigen, der ältesten und weisesten der neun Musen, und des Fluss-gottes Oiagros bzw. des Gottes Apollon (die Quellen sind sich an diesem Punkt nicht einig) geboren sein. Als junger Mann bekam er eine Lyra von Apollon geschenkt und seither galt Orpheus als der beste Sänger seiner Zeit, sodass er nicht nur Götter und Menschen, sondern sogar Tiere, Pflanzen und Steine betören konnte. Der Gesang galt im alten Griechenland als Stilmittel für epi-sche und mythologische Erzählungen. Singen bedeutet erzählen, bedeutet Konversation, das heißt Orpheus hat nicht bloß gesungen, er stand mit der Natur, in der er lebte, im Einklang. Dadurch gilt er als Urheber der sogenannten Orphik, einer religiösen Strömung des 6./5. Jahrhunderts v. Chr., welche sich mit dem Konzept der Seelen-wanderung beschäftigte und somit auch mit einer gewissen Gleichheit der Seelen von Mensch und Tier.

Damit wir das besser verstehen können, tauchen wir noch ein wenig tiefer in die griechische Mythologie ein. Dieses Konzept der Seelenwanderung, des Lebens nach dem Tod spiegelt sich in der Geschichte von Or-pheus und Eurydike wider. Nachdem Eury-dike von einer Schlange gebissen wurde und daraufhin starb, versuchte ihr Mann Or-pheus, sie wiederzugewinnen, indem er in die Unterwelt hinabstieg und Hades selbst bat, sie gehen zu lassen. Wieder war es sein Gesang, der ihm dazu verhalf, dass seiner Bitte stattgegeben wurde. Jedoch mit der Bedingung, dass er vorangehen müsse. Als Orpheus beim Aufstieg zur Oberwelt jedoch die Schritte seiner Frau nicht mehr hörte, blickte er zurück, um nachzusehen, ob es ihr gut gehe und durch diesen Fehler ver-schwand seine Frau für immer in der Un-terwelt. Diese Szene zeigt das Menschliche in Orpheus Handeln. Er ist zwar in der Lage, in der Natur im Einklang zu sein, aber nicht über sie zu herrschen, denn er ist schließlich nur ein Teil von ihr sowie auch die Tiere und Pflanzen ein Teil von ihr sind.

Pythagoras hingegen ist eine historisch fassbare Person, die sowohl für die Philoso-phie, als auch für die Mathematik von Be-deutung ist. Auf der Insel Samos geboren, ließ er sich im Alter in der Stadt Kroton in Süditalien nieder und gründete dort einen Orden, die so- genannten Pythagoräer
r, welche in Metapontum und Tarent ihren Einfluss auf die lokale Politik übten, aber durch eine Veränderung der politischen Verhältnisse gezwungen waren nach Grie
chenland zurückzukehren. Unter den natur wissenschaftlichen und philosophischen
Aspekten ihrer Lehre sei hier insbesondere der Aspekt der Seelenwanderung erwähnt und eben weil die menschliche Seele in andere Lebewesen demnach übergehen kann, wurde der Verzehr von Tieren als Kannibalismus und Mord aufgefasst. Der Schriftsteller Iamblichos schreibt in seiner Vita des Pythagoras über die Regeln der Pythagorä er. Besonders interessant ist hier für uns Regel 39, die in Altgriechisch „empsychon apechou“ und übersetzt „ent-halte dich der beseelten Lebewesen“ be-deutet. Die Bezeichnung „empsychoi“ ist hierbei interessant, „psyche“ bedeutet „Seele“ und das Präfix „em-“ bedeutet „in-nen oder hinein“, also „diejenigen, in denen sich eine Seele befindet“. Mit diesem scheinbar einfachen Wort drückt Pythago-ras die Gleichberechtigung zwischen Mensch und Tier aus, beide besitzen See-len und deswegen darf man sie nicht essen, weil durch das Prinzip der Seelenwande-rung zwischen Mensch und Tier nicht un-terschieden wird. Größter Kritiker über diese Lebensweise des Pythagoras war der Römer Aulus Gellius, der im 2. Jahrhun-dert nach Christus also ca. 700 Jahre nach Pythagoras gelebt hatte und seine fleisch-lose Lebensweise anzweifelte. Nach Gelli-us hätten zum Beispiel neugeborene Tiere und Hähne als nicht beseelt gegolten, was auf eine nicht rein vegetarische Lebens-weise hindeuten würde. Der Großteil der Quellen geht aber von einer fleischlosen Lebensweise der Pythagoräer aus, welche auch mit dem Prinzip der Seelenwanderung logisch einhergeht.

Was haben nun Orpheus und Pythagoras gemeinsam?
Sie sind Symbolfiguren für ein orphisch-pythagoreisches Verständnis von Mensch und Tier und obwohl der eine mit Liedern und der andere mit Zahlen sein Leben verbrachte, bilden sie zusammen das histo-rische Fundament der vegetarischen Le-bensweise in Europa.

Um eines kleinen Bissens Fleisches willen

berauben wir eine Seele
der Sonne und des Lichtes
und jener Spanne
an Leben und Zeit,
für die sie in die Welt
hineingeboren wurde,
um sich an ihr zu erfreuen.

Plutarch
ca. 46 – 125 n. Chr.

SEITE 6:

Veggie-Resturants
Warum nur in Graz?
Restaurant Ginko

Vor ein paar Wochen hat Ginko, eines der beiden großen Grazer vegetarischen Selbstbedienungsrestaurants nach einmonatigem Umbau, von einem norwegischen Design-Büro gestaltet, wieder geöffnet: Viel Natur, Recycling, Holz und Vintage bringen die Philosophie des Restaurants auch visuell zum Ausdruck, so die Presseausendung zur Eröffnungsfeier. Durch kluge Einteilung wurde die Zahl der Sitzplätze auf 120 bis 120 erhöht, in derwarmen jahreszeit kommen noch ca 50 auf der überdachten Terrasse dazu – zur Mittagszeit quillt das Lokal über.
Auch der zweite etwas größere Betrieb, Mangolds, kann über Gästemangel nicht klagen; dazu gibt es noch eine Reihe kleinerer vegetarischer Lokale.

Das führt zur Frage, warum ist dagegen das vegetarische Gaststättenangebot in manch anderen Städten so mager?

Was ist das Erfolgsrezept von Ginko? Natürlich einmal gutes und preiswertes Essen. „An der reichhaltigen Buffetinsel lässt sich selbst schnell und einfach ein vielfältiges Menü aus Speisen verschiedenster Länder und Kulturen zusammenstellen. Obligatorisch ist nach wie vor das tägliche indische Gericht…. ein fulminantes Salatbuffet … Die Speisen werden an der Kassa nach Gewicht verrechnet (1,45 ¤/100 g) …. Nachhaltigkeit, biologischen Anbau und Fair Trade … Der Großteil des Speisenangebotes ist rein pflanzlich und einiges auch glutenfrei (Pressetext). einem fulminanten Salatbuffet

Dazu gastronomisches und betriebswirtschaftliche Erfahrung, Organisationstalent und voller Einsatz.. Da alles brachte Albin Gilma mit, als er 1995 den Betrieb eröffnete. Andere die es zuvor mit viel jugendlichem Elan doch ohne Erfahrung versuchten, waren gescheitert. Auch Gilma hatte anfangs manche Durststrecke zu überwinden und es brauchte Zeit, bis der richtige Weg gefunden war.
Jetzt zu unserem eigentlichen Thema. Wie lässt sich vegetarische Gastronomie in anderen Städten verdichten oder überhaupt erst schaffen. Mit Jammern und auf die Märchenfee warten sicher nicht. Zum Gastronomen ist nicht jeder geboren. Voraussetzung für einen neuen Betrieb ist nicht nurkönnen, es braucht auch Kapital. Hier käme schon ein größerer Personenkreis, der ein bisschen Geld hat, in Frage. Risikokapital statt in Baukonzern-Anleihen in vegetarischer Gastronomie anlegen: Wer nimmt es in die Hand?

GINKO – Grazbachgasse 33/Ecke Klosterwiesg. (nächst Jakominiplatz), 8010 Graz
T 0316 815625, www.restaurant-ginko.at
Mo–Fr 11.30 – 21Uhr, Sa 11.30 – 19 Unr

SEITE 7:

Der 1. Oktober ist Welt-Vegetarier-Tag

Auf Initiative der nordamerikanischen Vegetarier Organisation (North American Vegetarian Society) wurde am Welt-Vegetarier-Kongress in Schotland 1977 der 1. Oktober als Weltvegetariertag ausgerufen. Seither feiern vegetarische Organisationen überall auf der Welt diesen besonderen Tag jedes Jahr. Der Weltvegetariertag hat die segensreichen, mitfühlenden und lebensbejahenden Aspekte des Vegetarismus zum Thema, von denen einige nachfolgend aufgezählt werden:

Gesundheitliche Beweggründe
” …eine umsichtig geplante vegetarische Ernährung ist gesund und angemessen, bietet gesundheitliche Vorteile bei der Vermeidung und Heilung von gewissen Krankheiten.” (Stellungnahme der Amerikan. Ernährungswissenschaftlichen Vereinigung (ADA) 2003)

Mitgefühl mit Tieren
Etwa 90 Millionen Tiere werden jährlich in Österreich geschlachtet, darunter rund mehr als70 Millionen „Mastgeflügel, 6 Millionen Schweine, 7 Millionen Legehennen. In Großbritannien sind es 800 Millionen Hühner, 15 Millionen Schafe, 9 Millionen Schweine und 3 Millionen Rinder jedes Jahr. (Quelle: Compassion in World Farming) – “Die Frage heißt nicht: können Tiere denken oder reden, sondern können sie leiden.” (Jeremy Bentham)

Ö kologisches Bewusstsein
Beispiel: zunehmender Wassermangel: Man braucht 15.000 Liter Wasser für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch und nur 500 Liter für ein Kilogramm Kartoffeln
(Quelle: Compassion in World Farming Trust, 2002)

Klimaschutz
Laut Welternährungsorganisation(FAO) der UNO trägt die Nutztierhaltung mehr zur Klimaerwärmung bei als der gesamte weltweite Verkehr.

Individueller Beitrag zur Lösung des Welthungerproblems
Ungefähr 60 % des Weltverbrauchs von Gerste, Roggen, Hafer, Hirse u.a. wird für Tierfutter verwendet. In Industrieländern wird ein zunehmender Anteil der Weizenernte an Tiere verfüttert – 45 Prozent des Gesamtverbrauchs in der EU. Fast 900 Millionen Menschen auf der Welt leiden an Hunger.
Quelle : euroveg.eu und andere

SEITE 8 und weiter: siehe die nachstehenden Beiträge und unter www.vegetarier.at”