Was bringt vegan den Tieren?

Aus der Zeitschrift anima, Frühjahr 2013, zur Diskussion:
Viele Jahre haben wir von der anima, wie alle anderen vegetarischen Vereinigungen gepredigt: Laktovegetarismus bedeute den Tod von Kühen und Kälbern, und manch Radikaler wurden nicht müde zu rufen, Vegetarier sind Mörder. Wer Milch trinkt, ist unweigerlich schuld, dass Kühe und Kälber sterben.

Unlängst habe ich einmal ein wenig nachgedacht, stimmt das eigentlich? Also, die Familie sitzt bei Tisch, die Mutter isst ein Stück Fleisch, der Franzi auch, nur die Mitzi isst ein Topfenlaiberl, weil sie ist Laktovegetarierin. Eines Tages wird die Mitzi strenge Vegetarierin, also Veganerin. Essen der Fanzi und die Mutter deshalb weniger Fleisch, nein. Die Mutter kauft genau so viel ein wie bisher. Als die Mitzi  Laktovegetarierin wurde, da war es anders. Da hat die Mutter dann weniger Fleisch gekauft.

Wenn Menschen Laktovegetarier werden, sinkt die Nachfrage nach Fleisch, es werden weniger Tiere gezüchtet und geschlachtet. Werden sie später Veganer, ändert sich nichts. Ihren Beitrag die Tötungszahlen zu vermindern, haben sie ja schon mit dem Verzicht auf Fleisch geleistet. Nur weil ein Lakto-Vegetarier auf Milch verzichtet, wird kein Fleischesser dem Wiener Schnitzel entsagen.

Ja, doch was ist mit der Kuh, die der Mitzi und natürlich auch ihrer Fleisch essenden Familie  die Milch gibt, und ihren Kälbern? Die haben schon bisher der Franzi und alle anderen Fleischesser  aufgegessen und werden das weiter tun.

Hier in Österreich dominieren bei Rindern die Zweinutzungsrassen – Milch und Fleisch – zu rund 90 %.  Als ich vor kurzem Gespräche mit der Landwirtschaftskammer führte und als eine der Tierschutzforderungen für gehobene Haltungsstandards das Schlachten auf dem Hof bzw. der Weide  nannte, war man empört. Die zur Schlachtung anstehenden Milchkühe seien Fleisch erster Qualität, das wegwerfen wäre ein Verbrechen. Zur Erläuterung: Die EU verbietet den Verkauf des Fleisches daheim geschlachteter Tiere. Deutschland habe sich eine Ausnahme gesichert, Österreich nicht.

In Ländern, in denen in der Milchwirtschaft Einnutzungsrassen dominieren, also auf enorme Milchleistung hoch- oder auch qualgezüchtete Rinder, deren Fleischausbeute niedrig ist, mag die Umstellung aufs Fleischrind die Schlachtungszahlen nennenswert verringern; in Österreich, wie gesagt einem Land der Zweinutzungsrinder, kaum. Wechseln  Produzenten und Konsumenten auf längere Sicht zu anderen Tierarten, etwa Huhn, Schwein, erhöhen sich die Tötungszahlen sogar

Also was das Schlachten betrifft, bringt der Um- stieg  von Lakto zu Vegan  so gut wie nichts.

 

Vegan rettet kein Tier – oder doch?

 

 

Soweit das Sterben. Doch wie steht es im Rinderleben? Bringt vegan Minderung von Tierqual? Leiden nur der Fleischerzeugung dienende Tiere während ihres Lebens weniger als die der Milchproduktion gewidmeten?. Wer sich zum Veganismus entschließt, wird zuvor bereits Milch aus möglichst tiergerechter Haltung gewählt haben. Es gibt zweifellos „Fleischtier“-Haltungen, die besser als selbst verhältnismäßig gute Milchkuhhaltungen sind. Doch wie viele sind es? Und vor allem, der Veganer hat da keinerlei steuernden Einfluss. Im allgemeinen dürfte es darauf hinaus laufen,  den Teufel mit dem Beelzebuben auszutreiben.

Den Tieren bringt also der Verzicht auf Milch, solange die große Mehrheit der Bevölkerung noch dem Fleischgenuss frönt, kaum etwas. Fleischverzicht jedoch reduziert die Tötungszahl um fast 100 Prozent.

Die Schlussfolgerung wäre also:

 

Konzentrieren wir uns darauf, Fleischesser zu Lakto-Vegetariern zu machen

 

Vorausgesetzt natürlich, es geht uns darum, das Los der Tiere zu verbessern.

Nun kann man einwenden, schön und gut, aber machen wir doch die Fleischesser gleich zu Veganern. Richtig, nur es ist zehnmal schwerer und das hilft den  Tieren wenig.

Es geht um den nutzbringenden Einsatz der geringen Kräfte der kleinen am Tierwohl interessierten Gemeinde.

Keineswegs richten sich diese Zeilen gegen vegane Lebensführung, Sie ist wertvoll, begrüßenswert, konsequentes Bekenntnis gegen jede Tierausbeutung – sehen wir davon ab, dass die Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel auch den Tod von Millionen Tieren über und unter der Erde verursacht. Konsequenz zeigen, Zeichen setzen ist von Bedeutung.

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Denn das allein unterscheidet ihn von allen Wesen, die wir kennen, meinte Goethe vor zweihundert Jahren.

Es ist zweifellos edel, auf alles Tierische zu verzichten, und zugleich ein markantes Statement gegen Tierausbeutung und dazu gut für Gesundheit und Klima.

Hilfreich für die Tiere wäre, sich auf das leichter Erreichbare zu konzentrieren.

Erwin Lauppert