Schächtfleisch geheim?

Schächtfleisch geheim?

Wiedergabe aus der anima – Frühjahrsnummer 2011, Seite 8-9 (Sie können alle älteren anima-Hefte auch unter www.vegetarier.at lesen).

Die unterschiedlichen Auffassungen über das Schächten sind bekannt, die anima hat sich in vergangenen Jahren wiederholt mit dem Thema befasst. Ursprünglich berührte es nur das Verhältnis zum Judentum und es war quantitativ gegenüber den Schlachtungen insgesamt bedeutungslos. Wir meinten daher, unter Bedachnahme auf historisches Geschehen sollten sich die Tierschützer aufs „christliche“ Schlachten konzentrieren, da gebe es genug an Grauslichem.

Die Zeiten haben sich geändert. Schächten ist ein muslimisches Thema geworden, quantitativ lässt es sich nicht mehr übersehen. Dazu kommen zwei Probleme:

Einzelne muslimische Kreise verfechten ihre Ansprüche aggressiv –  ein Beispiel brachte die letzte anima. Und zweitens, es wird erheblich mehr Schächtfleisch produziert als zur Versorgung gläubiger Moslems  erforderlich ist. Der Überschuss wird teils über Lebensmittelmärkte etc. stillschweigend den unwissenden Konsumenten unterjubelt, manche allerdings werben offen mit halal.

Das EU-Parlament hatte im vergangenen Juni über Initiative der CDU-Parlamentarierin Dr. Renate Sommer aus dem Ruhrgebiet Abhilfe beschlossen. Mit einer soliden Mehrheit von 559 gegen 54 stimmte es für die Pflicht zur Etikettierung von Schächtfleisch  mit folgendem Text: „Von vor der Schlachtung nicht betäubten Tieren.“  Dieser Beschluss bedurfte allerdings im Rechtsystem der EU auch der Zustimmung des EU-Ministerrats, der aus den Vertretern aller EU-Mitgliedstaaten besteht, in der Regel deren fachlich zuständigen Ministern. Der lehnte im Jänner die Etikettierung ab. Das heißt praktisch, die Konsumenten dürfen nicht wissen, welches Fleisch sie kaufen.

Im Vorfeld waren natürlich die Lobbys am Werk.  Muslimische Organisationen wand-ten sich entschieden gegen die Kennzeichnung, sie sei nur Ausfluss feindlicher Voreingenommenheit gegen den Islam. Im Hintergrund  ging es natürlich um erhebliche wirtschaftliche Interessen. Allein in Großbritannien  wird die Zahl der halal getöteten, d.h. geschächteten Tiere auf jährlich 150 Millionen geschätzt. Nicht wenige Einrichtungen, darunter auch Schulen geben dort, doch nicht nur dort, um Kontroversen mit Muslims zu vermeiden, überhaupt nur mehr  Speisen, die halal sind, aus. Das führt natürlich erst recht zu Streit, diesmal mit Alteinwohnern, die nicht einsehen, weshalb sie sich Einwanderern beugen sollen. In den Niederlanden, wo in etlichen Gefängnissen nur mehr halale Speisen verabreicht werden – zweierlei Menüs wären zu teuer – hat ein Sträfling bereits die Gefängnisverwaltun geklagt. Der Zwang halal zu essen sei eine unzulässige Strafverschärfung.

Den Streitern wider die Etikettierung hatten sich übrigens Vertreter orthodoxer Juden in Europa zugesellt. Der Grund: wirtschaftlicher Schaden. Die strengen jüdischen Gebote bewirken, dass in der Regel mehr als die Hälfte des geschächteten Fleischs nicht koscher ist und zu einem niedrigeren Preis an nichtjüdische Abnehmer weiterverkauft wird. Gekennzeichnet  ließe es sich noch schlechter verkaufen.

Nun, all die Lobbyarbeit war wie gesagt erfolgreich. Der Ministerrat sagte nein und die Initiatorin des Parlamentsvorstoßes Frau Sommer soll bereits zurückgesteckt und versprochen haben, ihr Anliegen nicht mehr zu verfolgen. Es bleibt ein schlechter Nachgeschmack. Regierungen und Parlamente hatten muslimischen Einwanderern zuliebe einst tierfreundliche Gesetze zu Lasten der Tiere geändert und der Minderheit aus Respekt vor deren Religion, deren Überzeugung, das Schächten für den Eigenbedarf erlaubt. Jetzt gehen Regierungen einen Schritt weiter und erlauben der Minderheit gegen die Volkvertretung nicht aus religiösen Gründen, nur des Geldes wegen,  mehr als sie braucht zu schächten und den Überschuss der nichtmuslimischen Bevölkerung zu unterschieben. Die Regierungen treten also faktisch die religiös oder weltanschaulich motivierte Überzeugung der vielen Menschen, die das Schächten aus Tierschutzgründen ablehnen,  mit Füßen. Der Konsumentenschutz, der Schutz der Verbraucher vor Irreführung  ist ihnen anscheinend wurscht. Ehrlichkeit?

Nebenbei: ein Grund mehr, vegetarisch zu leben.

Es ist gut und wichtig, Minderheiten und ihre Rechte zu schützen. Doch ein paar Rechte sollte man wohl auch der Mehrheit zubilligen. Unterlassen das Regierungsgewaltige, sei es weil sie nicht in den Geruch des Rassismus und der Minderheitenfeindlichkeit kommen wollen oder einfach weil sie das Schicksal bei der Verteilung von Rückgrat übersehen hat, besteht eine Gefahr: Dass sie damit genau den Rassismus schüren, den sie vermeiden wollen.

Anmerkung:
Wie hat der für Österreich zuständige Gesundheitsminister Alois Stöger im EU-Ministerrat abgestimmt? Hiezu teilte sein Ministerium mit:
„Das Bundesministerium für Gesundheit bedankt sich für Ihre Anfrage und kann Ihnen hierzu mitteilen, dass im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum österreichischen Tierschutzgesetz (Anm.: im Jahr 2005) auch die von Ihnen aufgeworfene Frage hinsichtlich der Kennzeichnung von nach religiösen Riten geschlachtetem Fleisch eingehend erörtert wurde. Dabei kam man zu dem Ergebnis, keine diesbezügliche Kennzeichnung durchzuführen. Dieser Entscheidung wurde bei der Beschlussfassung des Gesetzes von allen fünf im Parlament vertretenen Parteien zugestimmt.
Dieser Beschluss ist auch Grundlage der Entscheidungen des Bundesministeriums für Gesundheit.“
Einfacher gesagt: Der Minister hat die Kennzeichnung abgelehnt.