Die Hundeesser vom ORF

Zur als Live-Magazin bezeichneten spätabendlichen kabarettähnlichen Sendung „Willkommen Österreich“ am 23.8.2007, in der mit viel Liebe zum Detail und Freude die Tötung eines lieben Hunderls und seine Verarbeitung zu einem Festtagsbraten dargestellt wurde, erreicht uns folgender Seherbrief:

Herrn Generaldirektor
Dr. Alexander Wrabetz
ORF – Wien

Sehr geehrter Herr Generalintendant,
das Wesen von Mensch und Hund lasse sich vergleichen, berichtete vor kurzem der Gourmet-Report – News für Feinschmecker (warum gerade der?): Hunde hätten ein ähnlich vielschichtiges Psychoprofil wie wir Menschen. Daß in manchen Weltgegenden viele Menschen weniger an der Psyche als am Fleisch ihrer Hunde interessiert sind, ist bekannt. In Ostasien zum Beispiel. Und über die sogenannten Hundeesser von Svinia in der Slowakei erzählt der Kulturpublizist Karl-Markus Gauß: Roma am unteren Ende der Elendsskala, selbst von den anderen Roma verachtet.
Mit Interesse sah ich unlängst in Ihrem Programm (Willkommen Österreich, 23.8.), dass ‚Hunde essen’ auch im ORF Anklang findet. Aufhänger für die Darbietung waren allerdings nicht Roma sondern die Appenzeller, wohl ein Bergstamm in entlegener Schweizer Alpenregion, gleich hinter der österreichischen Grenze. Appenzeller, meinten Ihre ORF-Komiker, mästeten und äßen Hunde. Vordergründig nicht ganz unglaubwürdig, immerhin wirbt Appenzell im Internet mit dem Slogan „Als wäre die Zeit stehengeblieben“. Und immerhin ist anders als in Österreich in der Schweiz das Töten von Hunden und Katzen „zur Gewinnung von Nahrung und anderen Produkten“ nicht verboten, und immerhin sollen Internetberichten zufolge unter Feinschmeckern gerade Appenzeller, nicht die Menschen, die Hunderasse beliebt sein.
Lassen wir beiseite, dass das Verspotten von Minderheiten nicht gerade von feiner Denkungsart zeugt. (Allzu leicht wird daraus Diskriminierung und Schlimmeres. Den Roma hat man erst ‚Hunde essen’, dann ‚Kinder entführen’, dann Kannibalismus, ihnen oder anderen Minderheiten schließlich Ritualmord vorgeworfen, und dann hat man sie vergast.)
Denn Ihren Kabarettisten kann man kaum Verspottung von Hundeessern vorwerfen.  Dazu waren ihre Ausführungen zu sehr in epischer Länge gehalten und von warmer Sympathie getragen. Sie zelebrierten geradezu, vom freudvoll jauchzenden Publikum unterstützt, das gespielte Hundeessen und seinen Werdegang: vom gehätschelten Hundchen, über dessen realistisch dargestellte stümperhafte Erwürgung, das Präsentieren des gehäuteten Leichnams (von welchem Tier er auch immer stammen mochte), die Zubereitung durch einen tatsächlichen oder vorgeblichen Meisterkoch bis zum  Beginn des Mahls in illustrer Runde.
Da, wirft das  vom ORF übertragene Opus doch einige  Fragen auf.
Eine naheliegende ist vielleicht zu einfach: Hundefett  galt in der Volksmedizin als besonders heilkräftig. Einige glauben noch heute daran. Macht die Arbeit im ORF so krank, daß Redakteure die letzte Rettung in der Volksmedizin sehen?
Das Schlachten von Hunden und Katzen ist in Österreich klar und eindeutig verboten. Mit gutem Grund, in Übereinstimmung mit der ganz großen Mehrheit der Bevölkerung. Der Hund ist treuer Gefährte des Menschen, vielfach Familienmitglied, oder Helfer, als Wächter, als Blinden-, als Lawinenhund… Hunde und Katzen als Nahrungsmittel sind im europäischen Kulturkreis nicht sozialadäquat, formuliert ein Kommentar zum Tierschutzgesetz. „Wenn wir unsere besten Freunde essen, wo ist denn da die Grenze? , so eine  Schweizer Tierschützerin in einer Polemik gegen illegale Hundehändler. Da berührt es eigenartig, wenn der ORF, laut Gesetz (auch) eine Bildungsinstitution, frohgemut faktisch, im Ergebnis, Gesetzesbruch und Bestialität propagiert.
Bis zur BSE-Krise haben manche Industriebetriebe Hunde partiell zu Toiletteseife und Hundefutter verarbeitet. Es gibt natürlich auch hierzulande Menschen, auch im Internet aktiv, – Reaktionen auf die jüngste Meldung über eine australische Umweltschützerin, die demonstrativ eine verwilderte Katze zu Ragout verarbeitet und verspeist hat, zeigen es – die darüber hinaus für Hunde- und Katzenfleisch als Menschennahrung agieren und eine Aufhebung des Verbots fordern. Ist es Aufgabe des ORF, für diese kleine Gruppe unausgewogen Schleichwerbung zu betreiben?  Sind wir  ORF-Zwangsmitglieder verpflichtet, mit unseren Gebühren das zu bezahlen?
Ein Vorfall in Wien hat das Thema Kannibalismus wieder aktuell gemacht. Die kleine Madeleine in Portugal und der kleine Pascal in Saarbrücken sind noch immer nicht gefunden. Werden wir, wenn wir ORF schauen, demnächst – Humor kennt ja keine Grenzen – ein Festmahl mit Menschenfleisch sehen?

Wir werden die allfällige Antwort des ORF gern veröffentlichen.