220 Selbstanzeigen wegen Bildung einer kriminellen Organisation nach 278a Strafgesetzbuch

“Wenn der sogenannte “Anti-Mafia-Paragraf” 278a StGB
gegen jene angewendet wird, die Missstände bekannt machen und
anprangern, handelt es sich um eine Farce, die eines Rechtsstaates
unwürdig ist”, kritisiert die Tierschutzsprecherin der Grünen,
Christiane Brunner, die Vorgangsweise von Staatsanwaltschaft und
Justiz in der sogenannten “Tierschutzcausa”, bei der Anfang März 13
Menschen aus verschiedenen Tierschutzorganisationen ohne Beweise von
Straftaten auf der Anklagebank vor Gericht sitzen werden. “Die
Tierschutzorganisationen leisten unverzichtbare Informationsarbeit
und haben den Mut, für die Rechte der Tiere einzutreten. Wenn mit
solchen Geschützen gegen zivilgesellschaftliches Engagement
aufgefahren wird, wird jede politische Aktivität von
Nichtregierungsorganisationen im Keim erstickt”, warnt Brunner.

Bei einer heutigen Pressekonferenz wurde bekannt, dass inzwischen 220
Menschen Selbstanzeige gemacht haben, weil sie mit den
Tierschutzaktiven solidarisch sind und auch weiterhin für die
Rechte der Tiere eintreten wollen. Darunter ist auch eine

Selbstanzeige der grünen Klubobfrau im NÖ Landtag und früheren Bundessprecherin Dr. Madeleine Petrovic, der Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins. Petrovic schrieb an die Justizministerin Bandion-Ortner folgenden Offenen Brief:

Die Staatsanwaltschaft hat gegen eine Reihe von
TierschutzaktivistInnen in Österreich Anklage nach §278a StGB
erhoben. Am 2. März soll der Prozess gegen 10 politische
AktivistInnen beginnen.
Unter den gegebenen Umständen muss auch ich befürchten, als Mitglied
einer “kriminellen Organisation” nach §278a StGB angesehen zu werden,
da ich in der Vergangenheit an Kampagnen teilgenommen habe, die
erfolgreich Einfluss auf die Entwicklung gesellschaftspolitischer und
wirtschaftspolitischer Ziele genommen haben. Stellvertretend für
meine zahlreichen Teilnahmen an Kampagnen möchte hier mein Engagement
gegen das AKW Zwentendorf, für die Einführung gentechnikfreier
Futtermittel bei der NÖM oder für meinen Einsatz für artgerechte
Nutztierhaltung erwähnen.
Vor Beginn dieser Kampagnen wurden den KampagnengegnerInnen diese
Aktivitäten für den Fall, dass sie nicht freiwillig einlenken würden,
jeweils öffentlich angedroht.
Im Rahmen dieser Kampagnen ist es auch zu Aktionen des zivilen
Ungehorsams gekommen und ich kann nicht ausschließen, dass zur
Erreichung dieser Ziele nicht auch zivil- oder verwaltungsrechtliche
Normen übertreten wurden.
Die Organisation und der Ablauf dieser Kampagnen setzt ein gewisses
konspiratives Element voraus, weil weder Aktionen des zivilen Ungehorsams noch
verdeckte Recherchen nach Vorankündigung stattfinden konnten.
Mir bekannte, aber sogar mir unbekannte Personen haben für dasselbe
Kampagnenziel irgendwann, irgendwo möglicherweise auch strafrechtlich
relevante Aktionen durchgeführt, was mir durchaus bewusst war.
Da die Staatsanwaltschaft die TierschutzaktivistInnen aufgrund genau
dieser “Verdachtsmomente” wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen
Organisation gemäß §278a StGB angeklagt hat, muss ich aufgrund meiner
geschilderten Kampagnenaktivitäten mit dem Ziel gesellschafts- &
wirtschaftspolitische Veränderungen herbeizuführen wohl ebenfalls mit
einer Anklage gemäß §278a rechnen.
Daher erlaube ich mir höflichst anzufragen, ob Sie mir im
geschilderten Fall raten, Selbstanzeige zu erstatten.

In Erwartung Ihrer geschätzten Rückantwort verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen,

MMag. Dr. Madeleine Petrovic

(Quelle: Presseaussendung der Grünen, Wien)