Polizei: Menschen, kleine Kinder zu Tode schrecken oder schützen?

Gleich ein Dementi: Bei der viel Aufsehen erregenden Polizeiaktion gegen Tierschützer gab es keinen Toten, doch tut es der Psyche eines kleinen Kindes gut, wenn vermummte Gestalten ins Schlafzimmer dringen, den Vater aus dem Bett reißen und die Pistole am Genick an die Wand stellen? Ein Sprecher des österr. Innenministeriums nennt das korrekt, den Richtlinien gemäß und verhältnismäßig. Viele Menschen sind anderer Meinung. Als Beispiel bringen wir eine Anfrage, die die Gesellschaft für humane Nutztierhaltung (www.nutztierhaltung.org) an Herrn Innenminister Günther Platter richtete:

“4.6.2008

Betr. Menschenrechte

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

im Oktober 2007 war in der „Presse“ zu lesen: In Handschellen aus einer Klasse der Volksschule Umhausen wurde ein (Anm. unschuldiger) 30-jähriger Lehrer abgeführt: die Polizisten verdächtigten ihn, nachdem Kinder gemeldet hatten, dass sie von einem Unbekannten verfolgt worden seien. Viele Menschen fragten sich, waren Handschellen notwendig. Jemand der zeitunglesend auf die U-Bahn wartet, wird festgenommen, dabei geht sein Arm in Brüche, war vor etlichen Jahren zu lesen. Geht das nicht anders? Muß bei einer Hausdurchsuchung ein Schloß aufgebrochen werden, obwohl ein Schlüssel bei der Hand ist? Angeblich Dienstanweisung. Muß ein festgenommener alter Mann in Unterhosen durch einen Ort geführt werden? Überfallsartige Hausdurchsuchung in Linz, falsche Wohnung erwischt, unbeteiligter Wohungsinhaber verletzt. Das sind zwar ältere Vorkommnisse und wir wissen nicht, ob sich die Dinge so zugetragen haben, doch wurden sie in der Presse so kolportiert und uns ist nicht bekannt, dass sie zu einer entschuldigenden oder berichtigenden Reaktion des jeweiligen Ministers geführt hätten.
Dieser Tage veröffentlichte der „Standard“ ein Gespräch zwischen Wolfgang Petritsch, einige Jahre Hoher Repräsentant der EU für Bosnien/Herzegowina, und Univ.Prof. Christian Reder, in dem auch diese Thema gestreift wird:
Petritsch: Was in Österreich in besonderem Maße fehlt, ist die jeweilige Rückbesinnung auf das Prinzip. Jeder prügelnde Polizist wird als Sonderfall hingestellt … Reder: … egal, ob das Innenministerium in roter oder schwarzer Hand ist. Petritsch: So ist es. Es müßte viel strikter um Unentschuldbares gehen, um absolute Grenzen. Menschenrechte als tägliche Praxis ist für uns noch immer nicht selbstverständlich.


Aktuell machte das Thema die Vorgangsweise bei der jüngsten Razzia gegen Tierschützer. Es geht zwar nicht ums Prügeln doch um Menschenrechte. Manche unserer Leser sind bekümmert über – behauptetes – brutales polizeiliches Vorgehen.

Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass wir alle strafgesetzwidrigen Gewaltakte ob gegen Sachen oder Personen oder Tiere entschieden ablehnen – sie schaden nebenbei bemerkt auch dem Tierschutz. Wir befürworten energisches Durchgreifen der Polizei, ob gegen Drogendealer die in den letzen zehn Jahren direkt oder indirekt tausend oder mehr Menschenleben auf ihr Gewissen geladen haben, ob gegen Schlägerbanden, Diebs- und Räuberbanden, Brandstifter, Schlüssellochverkleber usw., und wären froh, wenn die Polizei Leben, Gesundheit und Eigentum der Bevölkerung erfolgreicher schützen könnte, und würden uns auch über Razzien gegen Leute, die gegen § 222 Strafgesetzbuch (Tierquälerei) verstoßen, freuen. Dies könnte nebenbei vermerkt, vielleicht verhindern, dass über Tierquälerei empörte junge Menschen kurzsichtig zu verpönter Selbsthilfe greifen.

Mancherorts wird zur Diskussion gestellt, ob der große Aufwand gegen die angenommene Tierschützerkriminalität, wie er in der personalintensiven Razzia am 21.Mai zum Ausdruck kommt, verhältnismäßig ist. Bei fünf oder sechs Millionen Sraftaten im fraglichen Jahrzehnt dürfte die angepeilte Aufklärung von rund dreißig meist mindergewichtigen Delikten, fürchte ich, kaum eine fühlbare Verbesserung des Sicherheitsempfindens in der Bevölkerung bewirken.

Unsere Frage betrifft jedoch nicht dies sondern die behauptete, nicht unbedingt mit Menschenwürde in Einklang stehende Rauheit des polizeilichen Eingreifens.
Wir greifen einige der auf diversen Tierschutz-websites behaupteten Punkte heraus:
Am Mittwoch in der Früh, noch im Dunkeln, schlug eine Gruppe schwarz maskierter Männer meine Wohnungstür ein, hielt mir im Bett die Pistole an den Kopf und zwang mich nackt aufzustehen. Mein Bruder im Nebenzimmer wurde mit erhobenen Händen an die Wand gestellt und bekam die Pistole ins Genick, während seine 7-jährige Tochter zuschauen musste.


unser Wunsch, die Computer aus der Stand-By-Funktion herunterzufahren, bevor sie vom Netz getrennt werden (tut man das nicht, riskiert man irreparable Schäden an der Festplatte) wird überhört


z.B. musste sich eine Frau nackt hinlegen, es wurde eine Waffe auf sie gerichtet und sie wurde entgegen ihrem ausdrücklichen Willen in dieser Position fotografiert.


Kopien von beschlagnahmten wesentlichem Vereinsmaterial, insbesondere Mitgliederlisten anzufertigen, wurde verwehrt.


Was Menschen nicht verstehen: Es ging hier nicht um einen Einsatz gegen mordende Verbrecher, denen Menschenleben nichts bedeuten, die gleich schießen. Sondern gegen Leute, denen weder Mord noch Körperverletzung vorgeworfen wird,. Die angenommenen Täter haben bei ihren Aktionen offensichtlich peinlich darauf geachtet, keine Menschenleben zu gefährden,. Es war also nicht zu erwarten, dass der Polizeiaktion Widerstand entgegengesetzt wird. Weshalb bedient man sich hier einer Kampftruppe, die für den Einsatz gegen Terroristen geschult wurde und dementsprechend hart agiert? Wenn die von Betroffenen erhobenen Vorwürfe zutreffen: Weshalb nahm die Behörde in Kauf, dass ein kleines Kind schwere seelische Schäden erleidet oder etwa ein Herzkranker vor Schreck stirbt. Wenn ein Polizeisprecher erklärt, die Polizisten hätten nach der Eigensicherung die schusssichere Kleidung und Waffen sofort abgelegt, um allfällig anwesende Kinder nicht zu verschrecken, ist das zwar fürsorglich, doch ist zu fürchten, die Kinder waren schon verschreckt. Weshalb bemüht man sich nicht, Schäden gering zu halten? Weshalb läßt man den Betroffenen nicht Zeit die Tür zu öffnen? Es ist doch nicht anzunehmen, dass die schlaftrunkenen Bewohner in zwei, drei Minuten Nennenswertes unwiederbringlich verschwinden lassen können; weshalb läßt man sie sich nicht gleich bekleiden? Weshalb legt man erlaubte Vereine still, in dem man die Vereinsunterlagen beschlagnahmt und sich konsequent weigert, legitimen überhaupt nicht beschuldigten Vereinsfunktionären Kopien der wichtigsten Unterlagen, wie etwa der Mitgliederlisten zu überlassen und damit faktisch das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht auf Vereinstätigkeit zur Farce werden läßt? Usw. Kein Wunder, wenn Meinungen kolportiert werden, es ging bei der Razzia primär gar nicht darum Straftaten zu ahnden, sondern darum unbequeme Vereine, die auf Defizite bei der Bekämpfung von Tierquälerei verweisen, stillzulegen. Weshalb nimmt man in Kauf, daß international Österreich wieder mit Nazi- und Gestapo-Methoden in Verbindung gebracht wird?

Sehr geehrter Herr Innenminister, wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie nicht nur unseren Leser sondern überhaupt der Öffentlichkeit gegenüber Ihren Standpunkt zu den angeschnittenen Fragen erläutern könnten.”