Politiker zur Verhaftung von Tierschützern

Die Tierschutzsprecherin der Grünen, Brigid Weinzinger am 3.6.2008 und in früheren Erklärungen:
“Es ist unfassbar, dass in Österreich Menschen seit zwei Wochen in Untersuchungshaft sitzen und noch immer keiner konkreten Tat beschuldigt wurden. Das Grundrecht auf ein faires Verfahren und auf die Möglichkeit, zu Anschuldigungen Stellung nehmen und sich verteidigen zu können, wird dadurch massiv verletzt”.
Weinzinger fordert, die Beschuldigten umgehend aus der U-Haft zu entlassen, da ihnen offenbar keine konkreten Straftaten vorgehalten werden können.

Das massive gerichtliche und polizeiliche Vorgehen gegen die Betroffenen sei von Anfang an unverhältnismäßig, rechtswidrig und willkürlich gewesen. Auch die angeführten Haftgründe der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr seien nicht zu rechtfertigen,
da im Zuge der Hausdurchsuchungen sämtliches Material beschlagnahmt wurde. Völlig absurd sei es, aus einer jahrelangen Tätigkeit für den Tierschutz oder eine Tierschutzorganisation den Vorwurf der “Tatbegehungsgefahr” zu konstruieren und damit die weitere U-Haft zu begründen. Durch nichts zu rechtfertigen sei auch die Anwendung des § 278a StGB, der ins StGB aufgenommen wurde, um mafiaähnliche Organisationen (Schlepperei, unerlaubter Verkehr mit Kampfmitteln, Falschgeld oder Suchtmitteln) verfolgen zu können. Dieser Tatbestand sei daher keineswegs erfüllt.

“Ich halte die Grenze zum Missbrauch des Anti-Mafia-Paragrafen (§278a) für überschritten. Damit soll organisierte Kriminalität bekämpft werden, nicht die Arbeit der außerparlamentarische Opposition wie z.B. Umweltorganisationen, Tierschutzorganisationen oder KonsumentInnen-Kampagnen.” Weinzinger fordert sofortige
Aufklärung, wie es zu den Hausdurchsuchungen, Festnahmen und der U-Haft ohne konkrete Tatvorwürfe kommen konnte.
(Quelle Aussendung der Grünen)

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim gegenüber dem SPÖ-Pressedienst am 27.5.
Als dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Polizei und Justiz abträglich bezeichnete  das Vorgehen der  Sicherheitsbehörden und einzelner Justizorganen gegen leitende VertreterInnen von Tierschutzorganisationen. So wirke sowohl die Durchführung der Hausdurchsuchung als auch die Verhängung der U-Haft wie der Versuch, ein Exempel zu statuieren.

Genauso hegt Jarolim Zweifel am weiteren Vorliegen von Haftgründen und der Berechtigung des Vorwurfes, die angehaltenen Personen hätten eine kriminelle Organisation nach § 278a StGB gegründet. Wesentliche Tatbestandsvoraussetzung wäre hierfür die unternehmensähnliche Ausgestaltung der Organisation, was bei nicht auf Gewinn gerichteten Organisationen nicht der Fall sein wird.

An Haftgründen wurden Tatbegehungsgefahr und Verdunkelungsgefahr angeführt. Jarolim dazu: “Dass Verdunkelungsgefahr vorliegt, kann ich mir nicht vorstellen, da ja sämtliche Wohnungen durchsucht sowie nahezu alle möglichen Datenträger beschlagnahmt worden sind, und dass nach einer derart massiven Polizeiaktion strafrechtlich relevante Handlungen von den Betroffenen gesetzt werden könnten, ist wohl eher an den Haaren herbeigezogen.”

Darüber hinaus, so Jarolim weiter, sei es bedauerlich, dass seitens der Behörden keine weiteren Informationen herausgegeben wurden, die die geäußerten Vorwürfe nachvollziehbar oder widerlegbar machen würden. Insbesondere, als in den vergangenen Wochen mehrfach eine wenig transparente Informationspolitik seitens der Sicherheitsbehörden auf der Tagesordnung gestanden sei. Es sei jedoch unumgänglich, dass bei problematischen Maßnahmen eine besonders transparente Darstellung der grundlegenden Umstände nötig sei. Gebe es keine solchen Informationen, bleibe bei derartigen Aktionen ein äußerst bedenklicher Eindruck zurück.

Red. Anmerkung: Die SPÖ -Justizministerin schweigt allerdings. Sieh die Meldung “Billigt die Justizministerin die Lahmlegung von Vereinen?” auf dieer website am 30.5.2008

Der frühere Nationalratspräsident und ÖVP-Politiker Andreas Khol am 31.5.2008 in der “Presse”, Wien :

“Nach einer bundesweiten vom Staatsanwalt geführten Polizeiaktion wurden zehn Verdächtige in Untersuchungshaft genommen. Sie werden beschuldigt, über Jahre Brand- und Säureanschläge gegen Lebensmittelkonzerne, Handelsketten, Medikamentenhersteller, Bauern und Jäger begangen zu haben. Für einen “edlen” Zweck – den Tierschutz. Alle Eingesperrten gehören sieben bekannt aggressiven Vereinen an, sind international vernetzt. Wenn die Vorwürfe stimmen, ein klarer Fall von organisierter Kriminalität. Die vorgeworfenen Straftaten zählen damit zu den schwersten Verbrechen unseres und des europäischen Strafrechts – sie unterscheiden sich nur im Zweck vom international geächteten Terrorismus.Tierschutz wollen sie abpressen, nicht den Rückzug der UNO aus Afghanistan oder die Freilassung Gefangener. …

Der Zweck heiligt nicht die Mittel, weder zur höheren Ehre Gottes noch zum Schutz seiner Geschöpfe. Dieser Grundsatz ist ein Fundament des Rechtsstaats, der Grund- und Freiheitsrechte, damit unserer öffentlichen Ordnung. Polizei und Staatsanwälte verdienen Anerkennung für ihren Mut, die frühere einäugige Politik beendet zu haben. Von den Grünen fehlt die Antwort auf die Gretchenfrage. Vorwürfe an die Staatsanwälte, Kritik an der Polizei ist aber auch eine Antwort! “  (Siehe auch die Antwort Weinzingers weiter unten).
Die “Salzburger Nachrichten” schreiben am 31.5.:
Zur Stunde ist schwer zu beurteilen, ob die Behörden bei ihrer Verfolgung militanter Tierschützer über das Ziel hinausschießen oder ob alles seine Ordnung hat. Misstrauen ist aber angebracht. Den SN liegt die Sachverhaltsdarstellung der Polizei an die Staatsanwaltschaft wegen des “Verdachts eines schwerwiegenden Verbrechens” vor. Darin wird unter anderem gegen die Tierschützer ins Treffen geführt, dass auf deren Webpage eine Presseaussendung zu lesen war. Die Presseaussendung stammte von der polizeikritischen Plattform “no racism”. Sie steht für jedermann zugänglich im Internet. Man kann nur hoffen, dass die restlichen Beweismittel stichhältiger sind.

“Wiener Zeitung” 31.5.:
Immer mehr Details werden zu den Vorwürfen gegen die zehn verhafteten Tierschützer bekannt. Konkret soll es sich um zumindest 31 Anschläge (Anm. im letzten Jahrzehnt) handeln, darunter 5 Buttersäureattentate und zwei Brandanschläge mit Schäden in Millionenhöhe. (Anm. In staatsanwaltschaftlichen Aussendungen war bisher von 600.000 € die Rede).

“Kurier” 31.5.: Der Personengruppe wird laut Staatsanwalt vorgeworfen, zumindest seit 1997 bis in jüngste Zeit wiederkehrend Brandstiftungen und schwere Sachbeschädigungen (Verätzen, Einschlagen, Beschmieren von Schaufenstern, Zerstörung von Fahrzeugen; Einbringung von Buttersäure in Geschäftslokale und Warenlager usw.) begangen zu haben.

NR-Abgeordnete Weinzinger gegenüber der “Presse” in Antwort zu Khol (4.6.2008):
“Verbrecher für den Tierschutz?”, quergeschrieben, von Andreas Khol, 31. Mai Ist Andreas Khol Mitglied einer kriminellen Organisation, weil er nachweislich Kontakt zu konservativen ParteivertreterInnen in ganz Europa hat? Natürlich nicht. Macht sich Khol strafbar, wenn er schriftlich auf einem Computer darüber nachdenkt, ob Gewalt einen Zweck heiligen kann oder nicht? Natürlich nicht. Wenn TierschützerInnen und TierrechtlerInnen genau dasselbe tun – und außerdem noch (horribile dictu!) an friedlichen Demonstrationen gegen Pelz teilgenommen haben – sind sie plötzlich “Verbrecher”? Warum? Khol gibt die entlarvende Antwort: Weil diese TierschützerInnen “aggressiven Vereinen” angehören. Ja, grauenhafte Bilder von gequälten Tieren auf dem Einkaufsbummel mögen lästig sein und unangenehme Betroffenheit auslösen. Doch ist das schon strafbar? Natürlich nicht.

Fakt ist: In Österreich wurde eine Reihe von Straftaten begangen. Stinkbomben in Pelzgeschäften, Sachbeschädigung an Hochständen, eine Brandstiftung, verklebte Türschlösser an Geschäften – das ist strafrechtlich zu verfolgen, aber wohl nicht vergleichbar mit der Zerstörung der Twin Towers in New York. Khol setzt das gleich und verhöhnt damit die Opfer von 9/11.

Was bleibt? Politisch unbequeme, missliebige TierschützerInnen werden ohne konkrete Beweise beschuldigt, Hausdurchsuchungen werden durchgeführt unter dem fadenscheinigen Vorwurf der “kriminellen Organisation” (§ 278a StPG), weil man die wirklichen TäterInnen seit elf Jahren nicht erwischt und den politisch Unbequemen eh gern einen Denkzettel verpassen möchte. Das ist jenseits. Menschen in U-Haft zu nehmen und ihnen bis heute (fast zwei Wochen danach) keinen konkreten Anschuldigungspunkt vorzulegen ist rechtswidrig und verwehrt ihnen das Recht auf Verteidigung.

Die Gewaltdiskussion, die hier zu führen ist, ist jene um überbordende Ausübung der Staatsgewalt, um Aushöhlung des Rechtsstaates durch die Polizei und die in ihren Rechten gestärkte Staatsanwaltschaft. Die Gretchenfrage ist: “Liebe ÖVP, wie hältst du es denn mit dem Machtmissbrauch?” Andreas Khol sollte sich Sorgen um den Rechtsstaat machen, der hat nämlich auch die politisch Andersdenkenden und Unbequemen zu schützen.

NR Abg. Brigid Weinzinger Tierschutzsprecherin der Grünen